Keine Frage des Geschmacks
Jungfrau ans Bett führen lassen, dabei stank er wie ein Berserker. Mao und John F. Kennedy waren auch keine Kostverächter. Auf jeden Fall ist das keine Frage der politischen Gesinnung. François Mitterrand zauberte mit achtzig plötzlich eine zwanzigjährige Tochter hervor, die mit ihrer Mutter jahrelang in einem staatlichen Palais gewohnt hatte. Unser Premier und die meisten Minister sind mindestens einmal geschieden, darüber regt sich nicht einmal mehr der Vatikan auf. Und die Deutschen hatten zuletzt einen Kanzler, der in der vierten Ehe lebte. Hören wir doch mit diesen Verlogenheiten auf! Warum reist du nicht nach England, um diese Lady zu vernehmen? Tapetenwechsel. Wenndu’s geschickt anstellst, kann dich Gemma begleiten. Es reicht, wenn sie einen anderen Flug nimmt. Gib aber Acht, dass auf der Hotelrechnung kein Doppelzimmer steht.«
»Wir haben Bierchens Wohnung gefunden!« Inspektorin Pina Cardareto erwartete Laurenti voller Ungeduld. »Ihre Tochter hat die Adresse durchgegeben, wo die Filmproduktion ihn untergebracht hat. Ein Dachgeschoss in Gretta, Via Braidotti. Mit Garage.« Sie klimperte mit einem Schlüsselbund.
»Wo haben Sie denn die her?«
»Das spart den Schlüsseldienst. Der Eigentümer, Enrico D’Agostino, ist der Freund eines meiner Bekannten. Kommen Sie mit? Die Kriminaltechniker warten bereits.«
War nicht Laura bei diesem Mann gewesen, um seine Kunstwerke zu schätzen und zu versuchen, sie für ihr Auktionshaus zu sichern? Klar, D’Agostino hatte einen Haufen Geld und Immobilien geerbt und war ein enger Freund des Notars, der sich bei Erbfällen oder Veräußerungen die besten Immobilien und Grundstücke selbst krallte, bevor andere davon Wind bekamen. Dieser Notar strotzte vor Geld und war stets tadellos gekleidet. Und er war ein Logenbruder von Raccaro. Vor allem aber wurde auf den Fluren des Polizeipräsidiums gemauschelt, dass vor kurzem ausgerechnet Pina ein Verhältnis mit ihm angefangen hatte. Jeder fragte sich, was die Inspektorin zu diesem verheirateten Mann, Vater von zwei halbwüchsigen Söhnen, hinzog. Die Theaterstücke, die sie in ihrer Freizeit schrieb, sowie ihre gehässigen Karikaturen, die sie zum Entsetzen der porträtierten Kollegen mit flinker Hand aufs Blatt warf, waren politisch nicht auf der gleichen Wellenlänge. Die kleine Pina war zwar als fanatisch trainierende Kickboxerin bekannt, nicht aber als Männerfresserin. Es hatte längst die Runde gemacht, dass sie mit all ihren bisherigen Beziehungen auf die Nase gefallen war, aberes trotz des durchgestrichenen Herzens auf ihrem Bizeps, unter dem der Schriftzug »Basta amore« eintätowiert stand, nicht allein aushielt.
»Die Hütte können Sie gern selber auf den Kopf stellen. Ich muss nach Udine und werde mich mit Gazza unterhalten.«
Marietta platzte herein. »Die AFI! Du hast recht gehabt, Proteo. Im Handelsregister ist sie als ›Action Film Italia‹ eingetragen. Hier, die Kopie des Zettels, den der Deutsche in der Hosentasche hatte.«
»Zwanzigtausend Euro.« Laurenti tippte auf das Blatt. »Und das Datum des Tages, bevor der Dicke aus dem Meer gefischt wurde. Ich knöpfe mir Lele vor, sobald ich zurückkomme. Und Sie, Pina, gehen am besten direkt in diese Firma und machen dort ein bisschen Action. Drehen Sie diese Geschäftsführerin durch die Mangel, drohen Sie mit der Guardia di Finanza und so weiter.«
Sein Mobiltelefon meldete ein SMS. Ein Fragezeichen stand auf dem Display, doch er hatte keine Zeit zurückzurufen. Die Staatsanwältin erwartete ihn. Er rief Gilo Battinelli, der Inspektor sollte ihn begleiten. Arbeitsteilung war eine feine Erfindung. Unterwegs berichtete der Inspektor, dass die Auswertung der DNA der Haare und der Blutspur, welche die Kriminaltechniker am Fensterrahmen zur Toilette des Rohkaffee-Importeurs gefunden hatten, noch immer auf sich warten ließ. Das Material befand sich im Labor der Spezialisten in Padua, die für den gesamten Nordosten zuständig waren. Kapitalverbrechen hatten selbstverständlich Vorrang. Immerhin stand fest, dass es niemanden dieser Haarfarbe und -länge in Zadars Betrieb gab.
*
»Beim Beschatten gibt es keine geregelten Arbeitszeiten.« Raccaro hatte getobt, als er Aurelio nach Mitternacht zu Hause erreichte. Er duldete keine Widerrede und keine Erklärungen. »Dann schläfst du eben vor dem Hotel. Ich will, dass du sie keinen Augenblick aus den Augen verlierst und dich sofort meldest, falls sie zu den Bullen geht. Und ich will
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