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Keine Gnade

Keine Gnade

Titel: Keine Gnade Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Annechino
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ihren Aufgaben fort und sah Al über die Schulter an. »Es ist alles in Ordnung.«
    Als Sofia mit allem fertig war, schien sie nicht gehen zu wollen, stattdessen stellte sie sich vor Al hin, ganz offensichtlich war sie nervös. Sofia war hochgewachsen und hatte eine schöne Figur, ihre Augen waren so dunkel wie Espressobohnen. Wenn sie lächelte, dann sah man ihre Zähne, die aus einer Werbung für Zahnpasta stammen könnten.
    Â»Mr Diaz, ich hoffe, ich trete Ihnen nicht zu nahe, aber ich habe gesehen, dass Sie jeden Tag, Stunde für Stunde, bei Ihrer Schwester sitzen. Sie kann sich glücklich schätzen, Sie als Bruder zu haben.«
    Â»Ich danke Ihnen.«
    Â»Ich habe gehört, dass Sie ohne Ihre Familie hier sind, und es tut mir leid, dass Sie ganz auf sich selbst gestellt sind. Bitte entschuldigen Sie, dass ich so direkt bin, aber ich würde Sie gern zu meiner Familie zum Abendessen einladen. Es wäre gut für Sie, für kurze Zeit mal aus dem Krankenhaus zu kommen. Unser Haus ist nicht weit vom Krankenhaus, und sollte es einen Notfall geben, könnten Sie schnell zurückkehren.«
    Sofia hatte Al mit ihrem Angebot völlig überrascht. »Das ist sehr lieb von Ihnen, aber …«
    Â»Meine Mutter macht die beste feijoada von ganz Bra­silien. Bitte sagen Sie ja.«
    Â»Lassen Sie mich darüber nachdenken, in Ordnung?«
    Â»Wie Sie wünschen.« Sie lächelte herzlich und verließ das Zimmer.
    Al brauchte einige Minuten, um sich zu sammeln. Er schob den Stuhl näher ans Bett, der süße Duft von Sofia hing noch in der Luft.
    Â»Guten Morgen, meine Sonnenblume.« Er hatte ihr diesen Spitznamen gegeben, als sie noch sehr klein war. Ihre Eltern hatten, obwohl sie arm waren, etwas Geld für einen kurzen Wochenendurlaub beiseitegelegt. Sie waren zu einem wunderschönen Park gefahren, in dem auf weiter Fläche hohe Sonnenblumen wuchsen. Aleta, damals kaum größer als einen Meter, war völlig fasziniert gewesen von diesen goldenen Blumen, die über ihr aufragten. Seit jenem Tag nannte er sie liebevoll Sonnenblume.
    Er hielt ihre Hand und sprach ab und zu mit ihr, als ob sie bei Bewusstsein wäre, und seine Augen wurden schwer. Er wollte gerade aufstehen und seine Beine ausstrecken, als er merkte, wie Aleta seine Hand ganz leicht drückte. Er hatte ihre Hand Stunden um Stunden gehalten, und nie hatte sie auch nur mit dem kleinsten Lebenszeichen reagiert. War es vielleicht nur ein Reflex?
    Al war so verblüfft, dass er kaum seine Stimme fand. »Wenn du mich hören kannst, Sonnenblume, dann drück meine Hand noch mal.«
    Nichts.
    Â»Du kannst es, Liebling. Bitte drücke meine Hand.«
    Immer noch nichts.
    Er saß ruhig für einen Augenblick da und meinte, eingenickt zu sein und es sich nur eingebildet zu haben. Doch dann drückte sie seine Hand wieder. Dieses Mal ein wenig fester.
    Â»Sonnenblume, ich bin’s, Alberto. Ich bin hier, Liebling. Kannst du mich hören?«
    Wieder drückte sie seine Hand.
    Al betrachtete sorgfältig ihr Gesicht, suchte nach irgendeinem Anzeichen für Bewusstsein. Ihr Gesicht war starr. Keine Augenbewegung. Kein Zwinkern. Gar nichts.
    Da er sie keine Sekunde allein lassen wollte, drückte Al den Rufknopf für die Schwester an der Seite des Bettes. In weniger als einer Minute stürmte eine Krankenschwester in das Zimmer.
    Â»Sprechen Sie Englisch?«, wollte Al wissen.
    Â»Ein bisschen.«
    Â»Wo ist Dr. Souza?«
    Â»Er macht seine Visite.«
    Â»Finden Sie ihn, und sagen Sie ihm, dass er sofort herkommen soll!«

25    Julian hatte seine drei Koffer von Louis Vuitton ­ausgepackt und seine Kleidung ordentlich in Schränken und Schubladen verstaut. Er war glücklich, sich in seinem Loft entspannen zu können, wo er nun auf unbestimmte Zeit wohnen würde, goss sich ein Glas Jordan Cabernet ein und setzte sich auf die Couch.
    Er wusste noch nicht, wie er mit den Besuchen seiner Töchter umgehen würde. Sie könnten keinesfalls in sein Loft kommen. Vielleicht würde er ein Hotelzimmer buchen, wenn er sie abholte.
    Er würde mit ihnen natürlich zu Abend essen, war sich aber nicht sicher, was sie sonst noch gern unternahmen. Wenn es nach ihm ginge, würde es ihm reichen, wenn er seine Kinder neben sich hätte, sie sich eine Schüssel Popcorn teilten und einen Film anschauten. Er hatte Nicole versprochen, sie an zwei

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