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Keine Gnade

Keine Gnade

Titel: Keine Gnade Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Annechino
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Dreiviertelstunde versuchte er mehrere Male, seinen Rhythmus zu finden. Seine Bemühungen erwiesen sich als zwecklos. Total resigniert gab er auf und wurde vom Teilnehmer zum Zuschauer. Alle paar Minuten sah er auf die Uhr, als wollte er sie zwingen, schneller zu laufen, da er das Gefühl hatte, der Unterricht nahm überhaupt kein Ende. Endlich ertönte ein indisches Lied mit dem deutlich erkennbaren Sitarklang, Courage hatte zu Beginn des Unterrichts den Timer gestellt, und Julian hatte das Gefühl, aus dem Gefängnis freizukommen. Rückblickend betrachtet war es dumm gewesen, an diesem Kurs teil­ zunehmen. Wenn er alles besser durchdacht hätte, hätte er einen strategisch sinnvolleren Plan entwickelt. Wie sollte er nun weiter vorgehen? Er saß hier mit dreißig Menschen um sich herum, Menschen, die sich bald alle auf den Parkplatz begeben würden. Wie sollte dieser Abend dann noch zu einem Erfolg führen?
    Er rollte seine Matte zusammen und legte sich das Handtuch um den Hals, entmutigt und ziemlich genervt. Bevor er die Matte zurückbrachte, warf er der Frau noch einen Blick zu und setzte sein schönstes Lächeln auf. Mit der Matte unter dem Arm und dem Handtuch über ihrer Schulter kam sie auf ihn zu.
    Â»Das erste Mal?«, fragte sie.
    Â»Ist das so offensichtlich?«
    Â»Mein erster Versuch dauerte nur fünf Minuten, also haben Sie mir einiges voraus.«
    Â»Wenigstens das gibt mir Hoffnung.«
    Â»Geben Sie nicht auf. Mit Yoga kann man großartig Stress abbauen. Außerdem weiß man nie, ob man jemanden trifft, der interessant ist.« Nun musste sie grinsen.
    Â»Sie sind toll in Form«, sagte Julian.
    Â»Und mit Form meinen Sie meine Positionen?«
    Er lächelte sie verschmitzt an. »Das auch.«
    Sie sah auf die Wanduhr. »Ich würde gern noch ein wenig plaudern, aber ich muss los.«
    Â»Vielleicht kann ich Sie zu Ihrem Wagen begleiten?«
    Â»Sie haben mir nicht einmal Ihren Namen gesagt.« Sie streckte ihre Hand aus. »McKenzie.«
    Â»John.«
    Â»Freut mich, John.«
    Sie gingen nebeneinander auf die Tür zu. Weil alle aus dem Kurs auf einmal aus dem Gebäude wollten, wirkte das Ganze wie eine Feueralarmübung auf der Highschool.
    Â»Haben Sie jemals darüber nachgedacht, selbst zu unterrichten, McKenzie?«
    Â»Habe ich. Aber in Kalifornien braucht man eine Lizenz, und die ist nicht so einfach zu bekommen.«
    Â»Nun ja, ich würde mich Ihrem Unterricht jedenfalls sofort anschließen.« Es war an der Zeit, den Köder auszulegen. »Brauchen Sie auch eine Lizenz, wenn Sie Einzelunterricht geben?«
    Â»Gute Frage.«
    Â»Wenn Sie und Ihr Schüler die ganze Sache vertraulich behandeln und nur bar bezahlt wird, wie sollte es dann jemand herausfinden?«
    Â»Vermutlich würden sie das nicht.« Sie deutete auf den heruntergekommenen Sentra. »Das ist mein Buggy. Ich nenne sie Straßenkämpferin. Ich quäle sie bis aufs Blut, und sie will einfach nicht sterben.« Sie suchte in ihrer Tasche nach den Schlüsseln.
    Julian sah sich um, es waren mindestens zehn Leute auf dem Weg zu ihren Autos. »Das mag sich vielleicht völlig verrückt anhören, aber wären Sie dazu bereit, mir privaten Yogaunterricht zu geben?«
    Sie erstarrte, ihre Hand steckte immer noch in der Tasche. »Meinen Sie das ernst?«
    Â»Schauen Sie, McKenzie, ich würde wirklich gern Yoga lernen, aber in so einer Klassenraumumgebung bin ich einfach zu befangen. Außerdem könnte ich im Einzelunterricht mein eigenes Tempo entwickeln und mich allmählich schwierigen Positionen annähern.«
    Â»Aber in San Diego bietet jedes Yogacenter Privatstunden an. Wieso gerade ich?«
    Â»Aus zwei Gründen. Zum Ersten habe ich mir schon in drei verschiedenen Studios Privatstunden angesehen und bin mit den Lehrern einfach nicht warm geworden. Zweitens habe ich eine interessante Person getroffen.«
    Sie blickte ihn eindringlich an. »Und wo würde ich diese Stunden geben?«
    Â»Hey, wir leben in San Diego, wo die Sonne immer scheint. Wir könnten uns im Mission Bay Park treffen, im Balboa Park – es gibt massenhaft Möglichkeiten, draußen zu sein. Und wenn Sie lieber in einem Gebäude wären, ich habe ein riesiges Loft in der Innenstadt, das für Yoga die perfekte Umgebung abgeben würde.«
    Â»Da ich zwar mit dem College fertig bin, aber zurzeit keine Arbeit habe, bin

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