Keine Gnade
fünfundzwanzig Dollar Teilnahmegebühr und nahm sich eine Yogamatte. So unauffällig wie möglich beobachtete er die Frau dabei, wie sie ihre rosa Yogamatte auf dem Holzboden ausrollte, und hoffte auf ein freies Plätzchen in ihrer Nähe. Sie sah nicht irgendwie besonders aus, doch ihre Muskeln, besonders ihre gut trainierten Brustmuskeln, zeichneten sich deutlich ab. Wenn es hier jemanden mit einem starken und gesunden Herzen gab, dann war sie es.
Zwei Teilnehmer hatten sich schon rechts und links von der Frau niedergelassen, doch ihm war das Glück hold und der Platz genau hinter ihr war noch frei. Von da aus konnte Julian sie am besten beobachten. Er beeilte sich, dorthin zu kommen, und legte seine Matte auf den Boden. Sie sah kurz zu ihm hin, lächelte, setzte sich dann auf ihre Matte und begann mit Dehnungsübungen. Er musste nicht lange zuschauen, um herauszufinden, dass sie keine Anfängerin war. Sie nahm mit ihrem Körper Positionen ein, die vermuten lieÃen, dass ihre Muskeln aus Gummi waren. Er dagegen hatte noch nie zuvor Yoga praktiziert und hatte das unbestimmte Gefühl, dass sein Körper die eine Stunde Unterricht nicht überleben würde. Er verbrachte nicht mehr drei Tage die Woche im Fitnessstudio an den Gewichten und beim Konditionstraining. Tatsächlich fühlte er sich ein bisschen unsicher, als er sich in den Spiegeln überall im Raum sah. Gott sei Dank gab es übergroÃe T-Shirts. Doch selbst wenn er seine Trainingsroutine nicht aufgegeben hätte, sie trug nicht dazu bei, seinen Körper beweglicher zu machen.
Julian versuchte sich als Profi zu geben, setzte sich auf seine Matte, zog seine Turnschuhe und Strümpfe aus und begann mit einer Reihe von harmlosen Ãbungen, wobei er die junge Frau nicht aus den Augen lieÃ. Er schätzte sie auf knapp eins achtzig und etwa sechzig Kilo. Sie war groà und schlank, und ihre schmale Taille ergänzte ihre perfekte Rückansicht. Als sie sich streckte und dehnte und ihren Körper in eine brezelähnliche Position verdrehte, ertappte er sie dabei, wie sie einige Male zu ihm hinübersah. Sie lächelte nicht unbedingt, aber ihre Augen verrieten sie.
Der Yogalehrer, ein attraktiver Mann mit ausgezeichneter Muskelstruktur und langem widerspenstigem Haar, das er zu einem Pferdeschwanz gebunden hatte, kam in den Raum und stellte sich vorne hin. Er drückte seine Handflächen wie zum Gebet gegeneinander und verbeugte sich respektvoll. Die Schüler erwiderten die Geste. Da Julian nie in einem Yogakurs gewesen war und sich mit den Ritualen nicht auskannte, waren seine Bewegungen mit denen der anderen nicht synchron. Und er fühlte sich schon unwohl, obwohl sie noch nicht einmal die erste Position eingenommen hatten.
»Guten Abend«, sagte der Lehrer. »Ich heiÃe Courage. Bitte nicht lachen. Ich heiÃe wirklich so.« Er lächelte. »Einige von Ihnen kommen mir bekannt vor, aber ich sehe auch ein paar neue Gesichter. Willkommen, Brüder und Schwestern. Dies ist ein Kurs für Anfänger und Fortgeschrittene, wenn Yoga also neu für Sie ist, lassen Sie Ihren Körper zu Ihnen sprechen und versuchen Sie keine Positionen, die Ihnen als zu schwierig erscheinen. Es muss Ihnen bitte auch nicht peinlich sein, wenn Sie einfach in einer Ruheposition auf Ihrer Matte sitzen und den geübteren Schülern zusehen. Wir veranstalten hier keinen Wettkampf, um den Besten oder Stärksten zu finden. Wir wollen das Einswerden von Körper, Geist und Seele erfahren.« Courage schob die Schultern zurück, stellte sich breitbeinig hin und lieà seine Arme seitlich hängen. »Lasst uns mit dem Strecken der Rückenmuskeln beginnen.«
Nachdem Julian fünfzehn Minuten heftig geschwitzt hatte, wurde ihm klar, dass er nicht in seinem Element war. Wenn jemand dachte, dass Yoga ein Sport für Frauen oder eine Beschäftigung für Weicheier war, dann hatte es derjenige noch nie ausprobiert. Er hatte Muskeln bewegt, von deren Existenz er nicht einmal wusste. Er saà auf der Matte, zog seine Knie an die Brust und sah dem Unterricht zu, Âwobei er besonders auf die Frau vor ihm achtete. Julian war sicher kein Experte oder jemand, der zwischen guter und schlechter Form unterscheiden konnte, aber er war sich sicher, dass ihre flieÃenden Bewegungen und eleganten Ãbergänge von einer Position zur nächsten nahezu perfekt waren.
Während der folgenden
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