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Keine Gnade

Keine Gnade

Titel: Keine Gnade Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Annechino
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abgelegenen Gegend befinden, weit entfernt von Menschen. Gleich würde er aus dem Badezimmer kommen und sie sich auf dem Bett wiederfinden, festgebunden und ihm völlig ausgeliefert. Ob er mit sich reden lassen würde? Sollte sie ihm vielleicht einen Handel vorschlagen?
    Dummes Mädchen.
    Wie willst du mit einem Verrückten verhandeln? Außerdem hätte sie nur eine Sache für einen Handel anzubieten – der bloße Gedanke daran ließ sie schaudern –, aber er könnte es sich nehmen, falls er wollte. Und sie vermutete, dass er es tun würde.

38    Als Sami Als Stimme hörte, hätte sie ihr Handy am liebsten gegen die Wand geschmissen. Sie hatte gerade ihren Wagen auf dem Parkplatz des Reviers abgestellt und ging auf den Haupteingang zu.
    Â»Der Captain hat mich angerufen.« Lange Pause. »Er sagte, dass du nichts dagegen hast, wenn ich als dein Partner mitarbeite?«
    Â»Habe ich denn eine Wahl?«, fragte sie.
    Â»Im Department wäre man nicht gerade erfreut, aber ja, du hast eine Wahl.«
    Â»Und was schlägst du vor, sage ich dem Captain, dass mein Freund eine andere Frau gefickt hat und …«
    Â»Ich kann nur sagen, dass es mir bis an mein Lebensende leidtun wird, Sami, aber wenn du nicht damit aufhören kannst …«
    Â»Damit aufhören ? Wie wäre es, mich erst mal wieder Luft holen zu lassen? Erst vor zwölf Stunden hast du mir erzählt, dass du mit einer anderen Frau geschlafen hast, und nun erwartest du von mir, es so abzutun, als ob du sie auf die Wange geküsst hast?«
    Â»Menschen machen nun mal Fehler.«
    Â»Ja, das tun sie. Aber dass du eine andere Frau vögelst, kann ich nicht als Fehler ansehen.«
    Â»Wenn du willst, rufe ich den Captain an und sage ihm, dass ich nach Rio zurückmuss. Nach dem Familienurlaubsgesetz bleibt mir noch etwas Zeit.«
    Â»Zurück nach Rio? Warum? Damit du wieder Sofia ­ficken kannst?«
    Al sagte keinen Ton.
    Sami musste wieder zur Arbeit zurückfinden, da diese Unterhaltung nirgendwo hinführte. »Wir müssen diesen Kerl festnageln, bevor er wieder jemanden ermordet.«
    Â»Wir könnten zu spät dran sein«, meinte Al. »Der Captain hat dir von der vermissten Person erzählt?«
    Â»Ja. Bist du in der Lage, Persönliches von Beruflichem zu trennen?«
    Â»Hey, ich bin derjenige, der Mist gebaut hat. Die Frage ist, ob du mit mir zusammenarbeiten kannst, ohne dass dir deine Gefühle in die Quere kommen.«
    Â»Wir werden es einfach herausfinden müssen.«
    Al atmete schwer am anderen Ende. »Und da ist noch etwas, Sami.«
    Sie hielt die Luft an, in der Hoffnung, er würde nicht noch eine Bombe loslassen.
    Â»Soll ich mich nach einer Wohnung umsehen? Bei einem Freund einziehen? Ich bin mir nicht sicher, wie es weitergehen soll.«
    Genauso wenig wie sie. Zusätzlich zu allem anderen hatte Sami überhaupt keine Lust darauf, ihrer Mutter zu erklären, warum Al nicht länger das Bett mit ihr teilte. Selbst wenn sie ihn auf der Bettcouch schlafen ließ, hätte ihre Mutter zwanzig Fragen auf Lager.
    Ich hoffe, ich werde es nicht bereuen.
    Â»Wie wäre es mit der Schlafcouch?«
    Â»Wäre das für dich in Ordnung?«
    Sie hätte am liebsten gesagt: »Nein, das wäre für mich nicht in Ordnung« , aber brutale Aufrichtigkeit half in dieser Si­tuation nicht weiter. »Wenn es das nicht wäre, würde ich es nicht anbieten.«
    Â»Danke, Sami. Ich werde dir so viel Freiraum lassen, wie du brauchst.«
    Sie brauchte keinen Freiraum. Sie musste einen Weg finden, ihm zu vertrauen. »Kommst du aufs Revier?«
    Â»Bin in einer halben Stunde da.«
    Klasse. Sie war sich nicht so sicher, ob sie die richtige Entscheidung getroffen hatte.

    Nachdem Al sein Handy zugeklappt hatte, starrte er still die Reproduktion eines Winslow Homer über dem Bett an. Es faszinierte ihn, dass der Holiday Inn Express das perfekt zu seinem Gemütszustand passende Aquarell ausgewählt hatte. Homer hatte seine tiefe Einsamkeit und Verzweiflung ergreifend zum Ausdruck gebracht. Auf dem Gemälde saß ein Mann vornübergebeugt in einem kleinen Ruderboot, die Ruder in seinen Händen. Der Himmel war dunkel und trostlos, das Wasser ruhig. Er konnte das Gesicht des Mannes nicht sehen, da er ihm den Rücken zudrehte. Aber er war davon überzeugt, dass es die Absicht des Künstlers gewesen war,

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