Keine Gnade
zufällig noch daran erinnern?«
Nein, das wusste er nicht mehr. Ein Tag blendete in den nächsten über. »Es tut mir wirklich leid, Nicole.«
»Du kannst dir deine Entschuldigungen sonst wo hinÂstecken!«
»Es geht um die Fördermittel für meine Forschung. Das macht mich einfach fertig.«
»Nun gut, dann ist es vielleicht an der Zeit, dich zu entscheiden: für deine Familie oder deine kostbare A-Fib-Studie.«
»Wieso kann ich nicht beides haben?«
»Weil du offenbar mit beidem nicht klarkommst.«
»Ich bin so nah dran, Nicole. In zwei Wochen habe ich die Daten zusammen, die ich brauche.«
»Also sollen die Mädchen und ich einfach rumsitzen und abwarten, bis du wieder Ehemann und Vater sein wirst?«
»Es geht um Fördermittel in Höhe von zehn Millionen Dollar. Zu achtundneunzig Prozent habe ich es geschafft.«
»Na schön, dann wirst du eben hundertprozentig deine Familie verlieren.«
Als Nächstes war das Freizeichen zu hören.
Während McKenzie OâNeill in der Badewanne lag und das heiÃe Wasser ihre Muskeln und ihren schmerzenden Hintern entspannte, war es, als ob sich ein riesiger Nebel von ihren Gedanken hob. Wie absurd, ein Bad im Haus eines Irren zu nehmen, eines Irren, der sie höchstwahrscheinlich umbringen würde. Sollte sie sich nicht auf einen Ãberlebensplan konzentrieren? Sie war schon beim ersten Versuch gescheitert, ihn zu überwältigen, und nun, da er auf der Hut war, wie konnte sie da einen Plan schmieden, der auch noch funktionieren würde? Wie könnte sie ihn überraschen?
Sie hatte keine Waffe, konnte sich durch nichts einen Vorteil verschaffen. AuÃerdem käme sie, selbst wenn sie ihn zeitweilig auÃer Gefecht setzte, ohne Schlüssel nicht an der verriegelten Tür vorbei. Doch wie sollte sie dann die bevorstehenden Torturen überleben?
Sie stieg leise aus der Badewanne, ihr Unterleib schien immer noch in Flammen zu stehen. Wie jeder, der Fernsehserien wie CSI oder Filme liebte, in denen die Polizei den Bösewicht zu überlisten suchte, war auch McKenzie fasziniert von der Idee eines Serienkillers und hatte sich genau mit dem Reanimator und den vier Mordopfern befasst. Sie hatte nicht nur alle Artikel über die Verbrechen im San DieÂÂgo Chronicle gelesen, sondern auch die gesamte Berichterstattung auf CNN und den anderen groÃen Kanälen verfolgt. Da sie mit allen Einzelheiten vertraut war, wie er seine Opfer getötet hatte, fröstelte es sie bis auf die Knochen.
Sie hatte schreckliche Angst davor, dass er sie wahrscheinlich auf höchst grausame Art und Weise töten würde, fühlte sich von Panik überwältigt und konnte nicht aufhören zu schluchzen.
Dann hörte sie es leise an die Tür klopfen.
»Alles in Ordnung da drinnen?«
»Ich bin ⦠in ein paar Minuten drauÃen.«
»Denk dran. Nackt.«
Wenn sie nur eine Pistole hätte.
40    »Wie willst du denn jetzt vorgehen, Al?«, wollte Sami wissen. Nach ihrem Treffen mit dem Captain hatte sie die unangenehme Aufgabe gehabt, Detective Osbourn mitzuteilen, dass er bei der Ermittlung gegen den Serienkiller nicht länger als ihr Partner arbeiten würde. Sie musste all ihre diplomatischen Fähigkeiten aufbringen, um ihn davon zu überzeugen, dass es nichts mit ihm oder seiner Qualifikation zu tun hatte. Es ging dabei lediglich um Erfahrung. Um Osbourns verständliche Enttäuschung ein wenig zu lindern und ihn mehr in die Ermittlung mit einzubinden, bat Sami ihn, sich um die Familien von Robert Winters und Rachael Manning zu kümmern, den Opfern drei und vier. Sie hatten erfahren, dass beide Familien in einem anderen Bundesstaat wohnten, weshalb Osbourn die Befragung am Telefon durch Âführen würde. Und falls die Familien der Opfer über Skype oder ein anderes Webcam-System verfügten, würden sie ein Interview per Video führen.
»Aus Zeitgründen«, schlug Al vor, »finde ich, dass es sinnvoll wäre, wenn ich mit den Eltern von McKenzie OâNeill spreche und du mit ihrer Freundin. Oder andersÂherum. Was dir lieber ist.«
Sie musste über seinen Vorschlag nicht einmal eine Nanosekunde nachdenken, denn sie wollte jede Gelegenheit wahrnehmen, die sich bei dieser Ermittlung bot, um unabhängig von ihm zu arbeiten. Ihn jeden Tag bei der Arbeit zu sehen, mit ihm unter einem Dach zu wohnen, jeden Tag
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