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Keine Gnade

Keine Gnade

Titel: Keine Gnade Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Annechino
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nehme.«
    Â»Es heißt Amiodaron und wird bei unregelmäßigem Herzschlag gegeben.«
    Â»Ich begreife es nicht«, sagte Connor. »Du bindest mich wie ein Tier an dieses Bett, und es ist ziemlich offensichtlich, dass du irgendwas Krankes vorhast. Und trotzdem interessiert dich meine Gesundheit? Wie kann ich sicher sein, dass dieses Amio – oder wie immer es genannt wird – wirklich das ist, was du sagst?«
    Julian ging zu dem kleinen Tisch hinüber und kam mit seinem Laptop zurück. Er fuhr ihn hoch und googelte dann »Amiodaron«. Er klickte auf den Link von Wikipedia und stellte den Laptop so auf die Bettkante, dass Connor den Bildschirm sehen konnte. »Wenn ich dich mit tödlichen Drogen umbringen wollte, würde ich sie dir in die Venen spritzen«, erklärte Julian.
    Connor las die ersten Sätze und schloss daraus, dass dieses Medikament wirklich zur Behandlung von unregelmä­ßigem Herzschlag eingesetzt wurde. »Und wenn ich diese Pillen nehme und mein Herz stabilisiert ist, was dann?«
    Â»Dann werden wir beide ein kleines Experiment durchführen.«

    Â»Emily?«, fragte Sami am Telefon.
    Â»Bitte sag mir, dass es deiner Mutter gutgeht.«
    Â»Sie ist stabil. Zumindest im Augenblick.«
    Â»Gott sei Dank.«
    Â»Es tut mir leid, dass ich so spät anrufe, Emily«, sagte Sami und erzählte ihrer Kusine von Als Schwester und seinem hastigen Abflug nach Rio.
    Â»Das ist schrecklich. Kann ich irgendetwas tun?«
    Â»Ich musste einfach nur mal eine freundliche Stimme hören. Mehr nicht.«
    Â»Hey, dafür gibt es doch Kusinen.«
    Sami bereute den Anruf schon. »Geh schlafen, Kusinchen. Wir reden morgen früh. Okay?«
    Â»Ich habe eine bessere Idee. Wieso komme ich nicht einfach vorbei und übernachte bei dir?«
    Â»Das ist ganz lieb von dir, aber mir geht es gut. Wirklich. Meine Gefühle fahren nur ein bisschen Achterbahn wegen der OP meiner Mutter und Al …«
    Â»Hey, es wird wie eine Pyjama-Party: Wir machen uns Popcorn, trinken ein paar Bierchen und gucken uns alte Filme an.«
    Â»Du bist so ein Schätzchen, aber …«
    Â»Ich bin in einer knappen Stunde da.«

    Julian hätte gern selbst ein Nickerchen gehalten, während das Amiodaron seine Wirkung entfaltete und Connors unregelmäßigen Herzschlag stabilisierte, doch ihm gingen beunruhigende Gedanken durch den Sinn. Er lehnte den Kopf gegen das weiche Ledersofa, schloss die Augen und ging im Geist zu einem Tag zurück, den er wünschte, vergessen zu können.
    Als ob Gott einen Rachefeldzug gegen ihn führte, wurde an seinem achtzehnten Geburtstag bei seiner Mutter chronisches Vorhofflimmern diagnostiziert. Nach fünf operativen Eingriffen kamen die Ärzte zu dem Schluss, dass sie ihr nicht mehr helfen konnten und der nächste Herzanfall ihren Tod bedeuten würde. Doch so sehr Julian auch um die Genesung seiner Mutter betete, seine Bitten fielen auf taube Ohren. Am Tag, als sie starb, stand er vor ihrem Krankenhauszimmer und sah entsetzt zu, wie die Ärzte verzweifelt versuchten, sie mit allen Mitteln zu reanimieren, auch unter Einsatz eines externen Defibrillators. Bei all der Aufregung fiel ihnen nicht auf, dass der junge Mann quasi einen Platz in der ersten Reihe hatte und ihnen bei ihren Bemühungen zuschaute. Nach wiederholten vergeblichen Versuchen wurde seine Mutter von den Ärzten für tot erklärt. Während all das geschah, saß sein Vater in der Cafeteria des Krankenhauses.
    Er hatte den Tod seiner Mutter ganz allein miterlebt.
    Er sah, wie eine Krankenschwester ein weißes Laken über das Gesicht seiner Mutter zog, und noch bevor die Ärzte und Krankenschwestern das Zimmer verließen, rannte Julian den Flur entlang, floh in eine Toilette und weinte sich die Augen aus dem Kopf. Nach einigen Minuten ging er jedoch wieder in das Zimmer seiner Mutter zurück. Dort war es ruhig und still. Eine kleine fluoreszierende Lampe an der Wand hinter dem Bett seiner Mutter beleuchtete den Raum und warf gespenstische Schatten auf den Boden. Er stand neben seiner Mutter und stierte auf das weiße Laken, sein Körper war wie gelähmt. Vorsichtig, und als ob es sich dabei um eine fromme Zeremonie handelte, zog er das Laken vom Gesicht seiner Mutter. Sogar im Tod war sie so schön wie immer, und er gab ihr einen Kuss auf die Wange.
    Â»Auf Wiedersehen, Mam. Ich weiß, du kannst mich

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