Keine Gnade
Verpflichtungen hinsichtlich seiner Frau und den Töchtern zu der Gleichung noch dazugab, dann nahmen diese Verantwortungen einen groÃen Teil seiner Zeit in Anspruch. Er musste einen Weg finden, um sich gleichzeitig mit mehreren Probanden befassen zu können. Doch wie sollte er das anstellen?
Julian drehte sich auf dem Barhocker herum, um einen besseren Blick auf die Gäste zu bekommen. Ihm fiel niemand Spezielles ins Auge. Doch dann kam eine hochgewachsene Rothaarige durch die Eingangstür, die ihre Hüften wie ein Model auf dem Laufsteg schwang. Ihr lockiges Haar fiel auf die Schultern und wippte bei jedem Schritt. Ihre Lippen waren voll und glänzten und verzogen sich ein bisschen zu einem Schmollmund. Sie winkte und lächelte jemandem zu, als sie an die Bar ging. Seine Erwartungen wurden enttäuscht, als er sah, wie sie einen Mann umarmte und ihn auf den Mund küsste. Eines war klar: Dieser Typ war weder ihr Bruder noch ihr bester Freund.
Julians erster Gedanke war, diesen Rotschopf zu vergessen und sich eine andere zu suchen. Doch dann fragte er sich, ob er nicht sogar von der Situation profitieren könnte. Gab es eine Möglichkeit, den Rotschopf und ihren Freund zu seinen nächsten Probanden zu machen? Er hatte keinen Plan. Er konnte sich nicht vorstellen, dass sie freiwillig mit in sein Loft gingen. Doch sein Instinkt riet ihm, den nächsten Schritt zu unternehmen, um zu sehen, wie die Dinge sich entwickelten. Was könnte es schaden?
Bei jeder seiner Testpersonen sah sich Julian mit demselben Hauptproblem konfrontiert. Wie konnte er sicher sein, dass das Herz der potenziellen Testperson gesund war? Die einzigen Faktoren, auf die er sich verlassen konnte, waren das ungefähre Alter und das Erscheinungsbild â beide basierten auf seiner äuÃerlichen Einschätzung. Wenn potenzielle Probanden jung und schlank waren, konnte er davon ausgehen, dass sie relativ gesund waren. Doch selbst wenn sie nicht die idealen Testpersonen waren, von ihrer gesundheitlichen Situation einmal völlig abgesehen, jedes Herz in jeder Brust hatte das Potenzial, Daten zu liefern.
So sehr er es auch hasste, es zugeben zu müssen, aber gutaussehende Frauen zogen seine Aufmerksamkeit auf sich. Bei dieser Einstellung bestand das Risiko, dass er das Schicksal herausforderte, indem er Frauen aussuchte, zu denen er sich hingezogen fühlte. Bei Genevieve hatte er seine Forschung fast aufs Spiel gesetzt, als er zulieÃ, sich von seinem Verlangen hinreiÃen zu lassen. War es möglich, sowohl seiner Forschung als auch seiner Lust nach hartem Sex nachzugehen?
So unauffällig wie möglich beobachtete er den Freund des Rotschopfs dabei, wie er Biere in sich hineinschüttete, als wären es Tequilas. Der Typ war sicher schon sehr bald volltrunken. Unvernünftig. Desorientiert. Wehrlos. Julian nahm an, dass er bald auf die Toilette musste.
Könnte riskant werden, aber vielleicht eröffnete ihm das wirklich die Möglichkeit, zwei Probanden gleichzeitig zu studieren. Vielleicht hatte ihm die Glücksfee einen Straight Flush beschert. Er wartete so geduldig es nur ging, hielt sich am letzten Schluck seines Cocktails fest und spielte im Geist ein Szenario durch.
»Noch einen Drink, Sir?«, fragte der Bartender und unterbrach Julians Gedanken.
Normalerweise würde er sich einen zweiten Drink gönnen. Doch in einer billigen Bar wie dieser boten sie als besten Scotch Dewarâs White Label an, und Julians Gaumen hatte sich an die seidige Weichheit eines Johnny Walker Blue gewöhnt. AuÃerdem hatte er gerade so viel getrunken, wie er zur Entspannung brauchte. Er wollte keinesfalls seine Aufmerksamkeit beeinträchtigen. »Nein danke. Im Moment nicht.«
Wann immer es ging, blickte er nach links und behielt den »Biermann« im Auge. Dann sah Julian, wie er sich von seinem Barhocker erhob und in Richtung Toiletten verschwand. Er hatte zwar keine Ahnung, wie er es anstellen sollte, wollte aber auch keine Zeit verlieren, und so atmete er tief durch und ging zum Rotschopf.
»Sitzt hier jemand?«, fragte Julian sie und lächelte dabei so unschuldig, wie er nur konnte.
»Ja, tatsächlich sitzt hier jemand â mein Verlobter.«
Er fand ihren Ton ausgesprochen ärgerlich, aber sie war sexier, als die Polizei erlaubte. »Er muss von Sinnen sein, eine so klasse aussehende Frau wie Sie allein zu lassen.«
»Klasse aussehend?«, entgegnete
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