Keine große Affäre
Stimme war ein Lachen, aber
er wußte, daß es ihr todernst war. Es war der letzte verzweifelte Versuch, an
Weihnachten alles in Ordnung zu bringen. Er dachte daran, wie oft er ihr
dieselbe Frage gestellt hatte. Sie hatte dann gelassen gelächelt und gefragt,
warum sie etwas verändern sollten, das so perfekt war, aber er wußte
instinktiv, daß Heirat keine Lösung war.
»Wenn es das ist, was du willst«,
antwortete er schließlich.
»Nein«, sagte sie leise. »Du mußtest
erst überlegen. Das hättest du vorher nicht getan.«
Dann fing sie wieder an zu weinen,
aber diesmal waren es traurige Tränen. Ein Weinkrampf schüttelte sie. Er ließ
sie an seiner Brust schluchzen. Er streichelte sie und suchte nach den
richtigen Worten, um sie zu trösten.
»Laß uns morgen früh drüber sprechen«,
sagte er. »Du hast ganz schön gebechert. Du willst doch sicher nicht, daß ich
dich ausnutze, wenn du besoffen bist, oder?«
Es war Silvester, und es war das erste
Mal, seit Alison erwachsen war, daß sie an dem Abend nicht ausging, doch sie
dachte nicht im Traum daran, die ganze Zeit neben Bens Bettchen auf dem Boden
zu sitzen.
Im selben Moment, als sie vorsichtig
die Hand vom Kinderbett wegzog — zentimeterweise, damit er nicht die leiseste
Luftbewegung spüren sollte — und in Zeitlupe zur Tür schlich, ging das
Telephon. Ben wachte sofort auf und fing an zu schreien. Sie war hin- und
hergerissen, ob sie erst rangehen oder ihn gleich beruhigen sollte. Es hörte
aber nicht auf, also nahm sie ihn aus dem Bettchen und ging mit ihm ins
Schlafzimmer. Sobald er in ihren Armen lag, schlief er, an ihrer Schulter
schniefend, wieder ein.
»Entschuldigung, habe ich dich bei
irgendwas gestört?« fragte Stephen.
»Ich hatte ihn gerade dazu gebracht
einzuschlafen«, sagte Alison. Vor Wut und Frustration war ihre Stimme kalt und
matt.
»Oh je... Habe ich ihn geweckt?«
»Was glaubst du denn?«
»Tut mir leid, Liebe.«
»Wie geht es dir?« fragte sie ihn, und
ihre Stimme wurde etwas weicher.
»Gut, aber wie geht’s dir?«
»Ich bin verzweifelt... Ich weiß, ich
mache es nur noch schlimmer, wenn ich die Beherrschung verliere, aber ich kann
einfach nicht anders«, gestand sie und fühlte sich sofort schlecht, als es
heraus war.
Jetzt würde Stephen sich Sorgen machen
und Schuldgefühle haben, und obwohl er zu den Leuten zählte, die sie vorhin im
stillen verflucht hatte, wollte sie nicht, daß er am Silvesterabend in der
Fremde unglücklich war.
»Oh je«, sagte er traurig. »Ist seine
Erkältung besser geworden?«
»Nicht so richtig. Das ist ein Teil
des Problems. Seine Nase ist verstopft, deshalb kann er nicht gleichzeitig
atmen und an seinem Schnuller nuckeln. Ich weiß ja, er sollte mir leid tun, und
das tut er ja auch, aber ich habe zwei Tage lang nicht geschlafen, und ich bin
kurz vorm Durchdrehen...«
»Es ist aber auch ein Pech, daß er
gerade jetzt seine erste Erkältung hat«, sagte Stephen voll Mitgefühl.
»Wahrscheinlich nicht zu vermeiden«,
antwortete sie resigniert.
»Aber er hat keine Temperatur?«
»Nein«, sagte sie müde. Sie wußte, daß
es kindisch war, sich darüber zu ärgern, daß er sich mehr für Ben interessierte
als für sie, aber sie tat es trotzdem.
»Wie willst du denn das neue Jahr
begrüßen?« fragte er.
»Ach, ich dachte, ich gehe auf den
Ball im Savoy... Was glaubst du denn?«
»Tut mir leid«, sagte er wieder.
»Ist schon in Ordnung. Du hast mich
nur auf dem falschen Fuß erwischt. Was hast du denn vor?«
»Ein paar von den Jungs haben einen
Tisch in einem Restaurant in Little Italy reserviert. Wahrscheinlich gehe ich
mit.«
»Du klingst fürchterlich amerikanisch
— Jungs! Paß auf, wenn du Männer mit Geigenkästen siehst«, scherzte sie.
»Warum?« Er klang verblüfft.
Für jemanden, der so kultiviert war,
konnte er manchmal überraschend unwissend sein.
»Da treibt sich die Mafia herum«,
informierte sie ihn. »Als ich einmal dort war, konnte ich nicht glauben, wie
viele Stretchlimousinen mit getönten Scheiben es da gab. Es war fast
klischeehaft — oder vielleicht habe ich einfach zu viele Filme gesehen.«
»Wirklich?« sagte er, als würde er
eine interessante Information verarbeiten. »Meine Güte, das Restaurant gehört
dem Vater eines meiner Kollegen hier. Ich frage mich, ob das heißt...«
»Na ja, tu alles, was er von dir
verlangt, sonst wachst du vielleicht mit einem Pferdekopf im Bett auf.«
»Einem Pferdekopf?«
»Ach, Stephen, wirklich«, sagte
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