Keine große Affäre
Geld.
»Nach all der Arbeit, die ich
investiert habe, um dieses Haus in Schuß zu bringen?« Ihr scharfer Ton schnitt
durch seine Gedanken.
»Natürlich nur, wenn du willst...«,
sagte er.
»Ich glaube nicht. Jedenfalls nicht
jetzt«, sagte sie und fuhr mit der eingehenden Untersuchung ihres Drinks fort.
»Eigentlich habe ich mich gefragt«,
fuhr er fort, »was du von einem viel größeren Umzug halten würdest.«
Erschreckt sah sie auf. Er wußte
irgendwie, daß es nicht der richtige Zeitpunkt war, darüber zu diskutieren,
aber jetzt, wo er einmal damit angefangen hatte, fuhr er fort: »Neulich in New
York haben sie mir eine Gastprofessur mit Aussicht auf eine feste Anstellung
angeboten.«
»Wann war das?« fragte sie, um Zeit zu
schinden. Es gelang ihr nur mit Mühe, ihre Überraschung zu unterdrücken.
»Ich glaube, es war an Neujahr«, sagte
er zerstreut.
»Du hast also eine ganze Woche damit
gewartet, es mir zu erzählen?« schoß Alison sich auf ihn ein.
»Wir haben uns doch kaum gesehen...«,
versuchte er zu erklären.
»Und wessen Schuld ist das?«
»Ich weiß, ich weiß. Es tut mir leid.
Laß uns ein andermal drüber reden.«
»Ich bin schließlich kein Computer. Du
kannst mich nicht einfach so programmieren, daß ich in ein paar Wochen auf
Knopfdruck mit dir rede, wenn es dir grad in den Kram paßt«, sagte sie zornig.
»Okay, okay.« Er war wütend auf sich
selbst, weil er die Sache so ungeschickt angepackt hatte. Ihm war nicht klar
gewesen, wie groß die Verärgerung war, die sich in ihr angestaut hatte, wie ein
eiternder Abszeß, der bei der kleinsten Berührung platzen und sein Gift
absondern würde.
Dieses Seminar war der reinste Luxus
gewesen, das sah er jetzt ein, und er hätte der Versuchung, daran teilzunehmen,
nicht erliegen dürfen. Sie hatte seine Unterstützung bitter nötig gehabt, und
er hatte sie im Stich gelassen, indem er ihr zuviel zugemutet hatte, gerade als
sie alles so gut in den Griff bekam. Sein Vorschlag, zurück in die Stadt zu
ziehen, den er nur gut gemeint hatte, erschien nun wie eine Beruhigungspille,
um sie für die umfassende Diskussion über seine Karriere, ihre Karriere,
Amerika und die Zukunft milde zu stimmen, die er im Sinn gehabt hatte. Er hätte
sich wegen seiner unsensiblen Vorgehensweise am liebsten in den Hintern
getreten.
»Hast du Hunger?« fragte sie ihn
mürrisch.
»Nein, ich habe spät gegessen«, sagte
er.
»Ich muß noch ein paar Sachen
erledigen«, sagte sie, stand auf und ging aus dem Zimmer. Sie verachtete sich
selbst für ihren Wutanfall und konnte es gar nicht fassen, wie leicht es ihr
gefallen war, den Streit so zu drehen, daß er der Schuldige zu sein schien. Sie
war sowieso schon eine Verräterin, und jetzt hatte sie sich doppelt schuldig
gemacht. Es war haargenau das feige Verhalten, das sie bei Männern mit Affären
verabscheute.
Später lag sie im Bett, drehte Stephen
den Rücken zu und tat so, als würde sie schlafen. Ihre Verärgerung hatte sich
noch nicht gelegt. Sie war so angespannt, daß sie das Gefühl hatte, sie würde
aus der Haut fahren, wenn er sie anfaßte. Aber er schien das zu wissen und tat
es nicht. Sie schloß die Augen und versuchte die Erinnerung auszulöschen — die
Erinnerung, die sie zwanzig Jahre lang verdrängt hatte.
»Wir ziehen um«, hatte ihre Mutter an
dem Morgen zu ihr gesagt, als sie aus dem Krankenhaus zurückkam. Sie reichte
ihr eine Tasse Tee und setzte sich auf ihr Bett, wie sie es immer tat, wenn sie
ein vertrauliches Gespräch mit ihr führen wollte. »Daddy will sich früh zur Ruhe
setzen, und wir haben in der Nähe von Littlehampton ein Haus gekauft.«
»Wann?« hatte Alison gefragt, die sich
fühlte, als hätte sie keinen Tropfen Blut mehr in den Adern.
»So bald wie möglich«, antwortete ihre
Mutter und blickte angestrengt aus dem Fenster.
»Aber...«
»Du wirst während des Semesters
sowieso im College sein, und es wird bestimmt schön, die Ferien am Meer zu
verbringen.«
»Ich will aber nicht«, hatte Alison
wie eine verwöhnte Zehnjährige gesagt.
»Das ist leider nicht deine
Entscheidung.« In der Stimme ihrer Mutter lag ein drohender Unterton.
»Nein, wahrscheinlich nicht.« Sie gab
sich geschlagen. Ihre Mutter setzte immer ihren Willen durch. Es schien keinen
Zweck zu haben, weiter zu protestieren.
Sie wußte, warum sie wegzogen; ihre
Mutter wußte es auch. Sie fragte sich, ob ihr Vater ebenfalls informiert war.
Es schien nicht mehr besonders wichtig zu sein. Es würde nur
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