Keine große Affäre
Ginger ihn, die versuchte, etwas Zeit zu gewinnen, um
auch alles zu verstehen, was er sagte. Aber es war wie mit der Kellnerin und
den Spezialitäten: Sie hörten sich köstlich an, aber dann vergaß man sie sofort
wieder. Und sie konnte nicht aufhören, sich zu fragen: Was ist eigentlich an
meinem Körper auszusetzen?
»Nein, du hast wirklich eine Begabung
für einfache, kommerzielle Ideen«, fuhr Charlie fort. »Eine Art Volksnähe, wenn
man so will, die sehr selten ist. Ich erinnere mich daran, daß du mir einmal
von einer Gameshow erzählt hast, die du dir ausgedacht hast, und damals dachte
ich, nein, das wird nicht funktionieren, aber wir haben die Idee ausgearbeitet
und weiterentwickelt, und jetzt haben wir das Okay für eine Pilotsendung
bekommen. Du hast wirklich Talent für sowas, und ich wollte mich bei dir
bedanken.«
»Meine Idee?« sagte Ginger und legte
ihre letzte Auster wieder hin, weil sie Angst hatte, daran zu ersticken.
»Ja, diese kulinarische Ratesendung, Fleischbeschau wolltest du sie, glaube ich, nennen. Wir haben uns für Wild in der Küche entschieden,
das hört sich hipper an, nicht ganz so fleischgeil. Aber es ist deine Idee, und
die Fernsehleute sind begeistert. Heutzutage kann man mit ein bißchen Kochkunst
nichts falsch machen. Das ist schließlich unser tägliches Brot...«, sagte er
und lächelte über sein Wortspiel.
»Moment mal — Du hast meine Idee
verwendet, und du hast eine Pilotsendung?« unterbrach Ginger ihn.
»Ja!« sagte er triumphierend.
»Und was habe ich davon?«
»Nun ja, auf Ideen gibt’s kein
Copyright, Darling, aber ich würde dich gern bezahlen, wenn du mir mehr davon
lieferst.«
»Du bist ein arrogantes Arschloch,
weißt du das?« bemerkte Ginger.
»Fish and Chips«, sagte die Kellnerin
und setzte einen großen, weißen Teller ab. »Und der Hummer. Kann ich Ihnen noch
etwas anderes bringen?«
»Wie bitte?« fragte Charlie.
»Kann ich Ihnen noch etwas anderes
bringen?« wiederholte sie.
»Nein, ich meine nicht Sie. Wir sind
wunschlos glücklich.« Er schickte die Kellnerin weg.
»Du bist ein arrogantes Arschloch«,
wiederholte Ginger. »Hast du dir wirklich eingebildet, ich würde mich so
geschmeichelt fühlen, weil du meine Ideen geklaut hast, daß ich für dich
arbeiten würde? Tut mir leid, aber den Fehler habe ich schon mal gemacht, und
ich bin nicht ganz so naiv und doof, wie ich aussehe. Und deinen Hummer...«,
sagte sie, als sie aufstand und ihre Serviette auf den Tisch warf, »...kannst
du dir in den Hintern schieben.«
Sie wandte sich ab und ging zur Tür.
Der Gang an der offenen Küche vorbei erschien ihr endlos lang, und nach der
Hälfte der Strecke bekam sie langsam das Gefühl, als würde sie in Zeitlupe
laufen, wie im Traum, wenn einen die Beine im Stich lassen. Endlich erreichte
sie die Garderobe und ließ sich so unbekümmert wie möglich ihre Jacke und ihr
Rad zurückgeben. Erleichtert ging sie zur Drehtür, aber an der letzten Hürde
mußte sie sich geschlagen geben. Die blöde Tür war blockiert. Als sie ausholte,
um frustriert auf sie einzuschlagen, hielt er ihren Arm fest.
»Ich bin zwar bereit, einen
verschmähten Hummer zu bezahlen«, sagte er. »Aber keine Glastür, die von einem
Rad zerschmettert wurde. Du drehst in die falsche Richtung«, fügte er hinzu.
Im selben Moment sah sie, was sie
falsch machte. »Oh, danke.« Ihr Ärger verflog.
»Du bist so wunderbar primitiv«, sagte
er zu ihr, als sie auf der Straße waren.
»Das erklärt wahrscheinlich meine
>Volksnähe<«, sagte sie und blickte über seine Schulter auf die
Speisekarte, die in weißer Farbe auf das Fenster eines Sandwich Shops
geschrieben war.
»Hör mal, ich habe das hier
anscheinend total vermasselt«, gab Charlie zu. »Können wir noch mal von vorne
anfangen?«
Sie dachte an den Hummer auf ihrem
Teller und den Metallknacker daneben, und sie konnte den Gedanken nicht
ertragen, den Kampf gegen ihn aufnehmen zu müssen und noch den ganzen
Nachmittag fischige Hände zu haben. Was sie jetzt wirklich gern essen würde,
war ein Kornbrötchen mit Avocado, Schinken und Mayonnaise. Sie hatte eine
Schlacht gegen Charlie gewonnen. Wenn sie jetzt mit ihm ins Restaurant
zurückging, würde es so aussehen, als wäre ihr völlig berechtigter Ärger ein
alberner Wutanfall gewesen.
»Ich will nicht für dich arbeiten,
Charlie«, sagte sie. »Also hat es nicht viel Sinn.«
»Aber warum denn nicht?« fragte er. Er
mußte schreien, um den Verkehrslärm zu übertönen, als
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