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Keine große Affäre

Keine große Affäre

Titel: Keine große Affäre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Imogen Parker
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hatten.
    »Ich glaube schon. Wie meinst du das?«
hatte Ginger gefragt.
    »Na ja, du hattest dich ja schon mal
gesehen — immer, wenn du Pic angeschaut hast.«
    »Natürlich! Daran habe ich gar nicht
gedacht«, sagte Ginger. »Als Guy damit angefangen hat, so fasziniert in den
Spiegel zu starren, habe ich mir überlegt, was er denkt. Wie kann man sich sein
Spiegelbild erklären, wenn man kein Bewußtsein seines Selbst hat? Aber für uns
muß es doppelt seltsam gewesen sein — oder vielleicht war es das gar nicht.«
    Sie blickte vom Photoalbum auf,
starrte ins Leere und erinnerte sich.
    »Es war toll, als wir angefangen
haben, mit Make-up zu experimentieren. Wir saßen uns gegenüber und haben uns
gegenseitig Lidschatten und Mascara aufgetragen. Aber Pic war immer genervt,
weil ich sie grundsätzlich zu stark geschminkt habe«, sagte sie lachend.
    Es mußte wunderbar sein, stets
jemanden um sich zu haben, der nur für einen da war, dachte Lia und war plötzlich
wahnsinnig traurig. Jemanden, der einen von Geburt an kannte. Sie hatte
niemanden, der sie so gut kannte.
    »Kommt«, sagte sie zu den Babys und
wandte den Buggy-»Jetzt geht’s nach Hause, Mittagessen. Heute nachmittag
erleben wir ein Abenteuer.«
    Zwei Babys mit ins West End zu nehmen
war nicht so einfach, wie sie es sich vorgestellt hatte. Sie schliefen zwar
beide hinten auf ihren Kindersitzen ein, aber der Verkehr kam so langsam voran,
daß sie sich langsam fragte, ob sie es bis Spätnachmittag hin und zurück
schaffen würde. Sie hatte noch nie in Central London geparkt. Schließlich fand
sie sich in der unterirdischen Spirale von Cavendish Square wieder, und als sie
den Doppelbuggy die Stufen zum Tageslicht hinaufmanövrierte und versuchte, ihre
Handtasche, Fläschchen und Babytücher und den ganzen restlichen Plunder nicht
zu verlieren, kam ihr in den Sinn, daß sie gar nicht registriert hatte, wo sie
das Auto geparkt hatte. Die anderen Mütter im Laden hatten Mitleid und halfen
ihr. Sie schickten sie zu den Fahrstühlen und sahen sich interessiert die
beiden grundverschiedenen Babys an: Ein pummeliger Junge mit einem dunklen,
lockigen Wuschelkopf und einem frechen Lächeln und ein zartes, ernstes kleines
Mädchen mit einem Häubchen. Als sie erschöpft die Cafeteria in der obersten
Etage von John Lewis erreichte, traute sie sich nicht, die Babys auch nur eine
Minute alleinzulassen, um sich an der Theke etwas zu trinken zu holen. Also
setzte sie sich auf einen Hocker und wartete. Tracy tauchte nicht auf. Nach einer
halben Stunde fragte Lia die Frau, die an diesem Tag die kalten Essensreste und
das halbgegessene Plundergebäck abräumte, ob Trace Dienst hatte, aber sie
sagte, sie würde sie nicht kennen. Vielleicht hatte auch Trace ihren Namen
geändert, dachte Lia enttäuscht. Sie war sich selbst nicht ganz im klaren
darüber, warum sie gekommen war. Trace hätte ihr sowieso nichts über ihre
Mutter sagen können. Sie hätte höchstens gewußt, wo sie mit der Suche anfangen
könnte. Trace wußte immer, wie Sachen funktionierten. Daß Trace nicht da war
und die große Anstrengung, überhaupt dorthin zu kommen, waren Zeichen,
überlegte sie. Es gab Dinge, die sie einfach nicht wissen sollte.
    Die Parkplatzgebühr war unglaublich.
Lias Geld reichte gerade dafür. Sie fuhr nach Richmond zurück und schwatzte
während der ganzen Fahrt fröhlich mit ihren beiden kleinen Begleitern. Sie
zeigte auf Busse, Ampeln, einen Polizisten auf einem Pferdchen, aber als sie
Guy in Gingers Wohnung abgeliefert und den Schlüssel in die Zündung gesteckt
hatte, um heimzufahren, wurde sie von einer plötzlichen Tränenflut erstickt. Es
war dumm von ihr, sich einsam zu fühlen, sagte sie sich selbst und hielt die
Luft an, damit die Schluchzer aufhörten. Sie hatte gute Freundinnen, das
süßeste Baby, das man sich vorstellen konnte, und einen Mann, der so
atemberaubend war, daß andere Frauen ihn auf der Straße anstarrten. Sie hatte
Glück, großes Glück. Sie wischte sich mit dem Mantelärmel die Tränen aus dem
Gesicht und drehte sich mit einem beruhigenden Lächeln zu Anouska herum. Dann
ließ sie den Wagen an und fuhr nach Hause.
     
    »Nein, schau Daddy an«, sagte Neil zu
seiner Tochter und versuchte ihr zu zeigen, wie man krabbelt. In Zeitlupe hob
er eine Hand, dann ein Knie, und bewegte sich langsam auf dem Teppich vorwärts.
Anouska lag auf dem Bauch und beobachtete ihn erstaunt.
    »Komm schon, stemm dich hoch. So ungefähr«, sagte er, als würde er einem

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