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Keine große Affäre

Keine große Affäre

Titel: Keine große Affäre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Imogen Parker
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Lia starrte in die wäßrigen Augen und versuchte
herauszufinden, ob sie vorgehabt hatte, sie zu verletzen, oder ob sie nur noch
gefühlloser war als sonst. So oder so, dachte sie, sie würde verschwinden
müssen.
    »Ich habe nicht vor, noch länger im
Bett zu bleiben. Die Hebamme sagt, es ist alles in Ordnung, deshalb stehe ich
morgen auf, und deine Mutter kann nach Hause gehen«, verkündete Lia Neil an
diesem Abend im Flüsterton, weil sie wußte, daß Mrs. Gardner nebenan war und
sich zweifellos die größte Mühe gab, jedes Wort mitanzuhören.
    »Aber es gefällt ihr hier sehr gut«,
protestierte Neil laut.
    »Mag ja sein, aber ich will sie nicht
mehr hier haben«, zischte Lia.
    »Nur noch morgen, damit du nicht
allein bist, wenn ich beim Spiel bin...«
    Sie hatte sein allsonntägliches
Kricketmatch völlig vergessen.
    »Oh, davon lassen wir uns doch nicht
durch sowas wie die Geburt eines Kindes abhalten«, sagte sie, nur halb im
Scherz, und fügte dann freundlicher hinzu: »Ich komme klar, ehrlich.«
    »Was ist denn los, Liebes?« fragte
Neil, der endlich ihre Gereiztheit bemerkte.
    »Es ist nur... Ach, ich habe genug von
ihren guten Ratschlägen, sogenannten guten Ratschlägen. Sie glaubt anscheinend,
sie weiß es besser als alle Hebammen und das Gesundheitsamt zusammen.«
    »Na ja, sie hat schließlich zwei
Kinder großgezogen«, verteidigte er seine Mutter.
    »Meine Güte, Neil, in den letzten
vierzig Jahren hat sich einiges verändert«, sagte Lia wütend. Ihre Stimme wurde
lauter. »Und außerdem bin ich Anouskas Mutter. Ich möchte sie ganz
allein kennenlernen.«
    »Aber sie will dir doch nur helfen...«
    »Nein!« Lia fing an zu schreien, hörte
jedoch abrupt wieder auf. »Nein«, wiederholte sie leiser.
    Es war zwar kein richtiger Streit,
aber sie waren noch nie so nah dran gewesen. Sie sah ein, daß Konfrontation
keine Lösung war. Es war sinnlos, mit seiner Mutter konkurrieren zu wollen. Er
liebte sie, und das war auch richtig so. Aber Lia wußte, sie würde es keinen
Tag länger mit Mrs. Gardner aushalten, und sie dachte, wenn ihr auch nicht ganz
klar war wieso, daß es wichtig war, in dieser Angelegenheit ihren Willen
durchzusetzen. Vor lauter Verzweiflung brach Lia in Tränen aus. Er hatte sie
noch nie weinen sehen, und sie wußte, er würde es nicht ertragen können.
    »Ich möchte doch nur, daß wir unsere
eigene kleine Familie haben. Ich will einfach nicht, daß sich da irgendwer
einmischt«, schluchzte sie.
    »Okay, Liebes, ist schon okay«, sagte
Neil verwundert, hielt sie in den Armen und streichelte ihren Rücken. »Ich
sorge dafür, daß Dad oder Pete sie gleich morgen früh abholen... In Ordnung?«
    Manchmal, dachte Lia ironisch, bekam
man eben doch, was man wollte, wenn man weinte.
    In einer von Bäumen gesäumten Straße
nur ein paar Meilen entfernt leuchtete in der Dunkelheit ein vereinzeltes,
rechteckiges Licht in blassem Zitronengelb, während Alison im frisch
tapezierten Kinderzimmer versuchte, ihr Baby zu stillen..
    »Komm, probier’s noch mal«, sagte sie
und versuchte, es zum Saugen zu bewegen, wie Judith es ihr gezeigt hatte. Aber
es war letzt an die Flasche gewöhnt und hatte keine Lust, sich anzustrengen.
    Tränen kullerten über Alisons Gesicht.
Die Schmerzen seiner sporadischen Saugversuche und die Beschwerden, wenn die
Milch kam, waren ja fast erträglich gewesen, aber seine lautstarke Ablehnung
war es nicht. Sie war so müde, daß ihr Kopf nach vorne sackte. Dann wurde sie
mit einem Ruck wieder wach.
    »Oh nein, bitte nicht«, flehte sie,
als das Baby wieder zu weinen anfing. »Du mußt es versuchen, bitte versuch’s...
Um Himmels willen, bitte...«, sagte sie und legte ihn mit besonderer Sorgfalt
wieder in die Wiege, schockiert über ihren plötzlichen Wunsch, ihn mit voller
Wucht gegen die blauweiß gestreifte Kinderzimmerwand zu werfen, auf deren
Zierstreifen Gänse marschierten. Sie schaukelte die Wiege mit dem Fuß und
hoffte, ihn dadurch zu beruhigen, aber der Lärm ließ nicht nach. Niemand sagte
einem, wie schrecklich es war, sein Baby schreien zu hören, wie es durch Mark
und Bein drang und die Nerven bloßlegte. Niemand sagte einem, wie sehr man
selbst in der heißesten Nacht um drei Uhr frieren konnte, wenn man tagelang
nicht geschlafen hatte.
    »Alison, Alison, Liebes...« Stephen
stand verschlafen in der Kinderzimmertür.
    Er kam zu ihr und streichelte ihre
hochgezogenen Schultern, um sie zu beruhigen. Dann nahm er das Baby und ging
nach unten. Sie war zu

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