Keine große Affäre
mehr klar sehen. Dann
gelangte das belebende Nikotin in ihren Blutkreislauf, und sie fühlte sich
wieder im Einklang mit sich selbst.
»Hmm... Fast so gut wie Lachgas!«
sagte sie und blies den Rauch in die Luft.
Ramona lachte. »Hast du auch Pethidin
bekommen?«
»Ich hab alles Mögliche gekriegt, aber
ich will nicht über sowas reden. Das ist mein erster richtiger freier Tag, und
an Babys, das Mutterdasein und alles, was damit zu tun hat, will ich nicht mal
denken.«
»Soll mir recht sein.« Ramona nahm
eine der kunterbunten Karten, die der Kellner ihr gegeben hatte, und suchte
darin nach einem geeigneten Wein. »Du siehst übrigens klasse aus«, sagte sie.
»Ich habe wieder dasselbe Gewicht wie
vor der Schwangerschaft«, sagte Alison stolz. Sie wäre zwar fast vor Hunger
umgekommen, aber es war die Mühe wert gewesen. Sie paßte wieder in Kleider, die
sie fast im Schrank vergessen hatte.
»Mein Gott«, sagte Ramona. »Das ist
mir in vierzehn Jahren nicht gelungen. Schaffen wir eine ganze Flasche, oder
willst du nur ein Glas?«
»Ach, laß uns eine Flasche nehmen«,
sagte Alison tollkühn. »Also, was gibt’s Neues?«
Ramona erzählte ihr, daß es bei der
Zeitung keine dramatischen Entwicklungen mehr gegeben hatte. Eine drohende
Übernahme hatte nicht stattgefunden, und es schienen nicht mehr so viele
Entlassungen vorgenommen zu werden.
»Aber nur«, sagte Ramona, während sie
zwei große Gläser kalifornischen Cabernet Sauvignon einschenkte, »weil kaum
jemand mehr übrig ist, den sie feuern können.«
Eine Affäre zwischen dem
Sportredakteur und der Fernsehkritikerin war immer noch im Gange, und es wurde
wild spekuliert, ob er sie in dem Buch, das er gerade schrieb, erwähnen würde.
»Das wird eine von diesen
Männerbeichten, mit Snooker als Metapher für das Leben oder so«, informierte
Ramona sie. »Ich frage mich langsam, ob das Gefasel darüber, daß man sich
seinen Gefühlen stellen soll, eine so gute Idee war, wenn das Ergebnis davon
ist, daß all diese Scheißkerle alles mögliche beichten. Seltsamerweise hat ein
Verleger ihm ein Vermögen bezahlt, und jetzt tippt er den ganzen Tag auf den
Computer ein und ist anscheinend völlig vertieft in seine eigene
Lebensgeschichte. Dom ist es einmal gelungen, sich Zugang zu seiner Datei zu
verschaffen, aber wir haben nur langweilige Prosa über Kugeln gefunden, die
sich an der Bande sanft berühren. Snookersprache, bevor du dich zu früh
freust... Du fehlst mir natürlich, und ich bin grün vor Neid«, fügte sie hinzu,
als der Hauptgang kam.
»Ehrlich gesagt kann ich’s kaum
erwarten, zurückzukommen«, informierte Alison sie und starrte auf die
Tischplatte, als könnte sie auf der schlichten, polierten Holzfläche etwas
unglaublich Faszinierendes sehen. Sie war plötzlich den Tränen nahe.
»Hey, was ist los? Ist alles in
Ordnung?« fragte Ramona, die gerade versuchte, sich ein palmwedelartiges Blatt
Friseesalat in den Mund zu manövrieren. Es fiel zurück auf den Teller.
»Ach, verdammt«, sagte Alison und
legte die Gabel weg. Eine Träne drohte, sich selbständig zu machen, und sie
trocknete sie schnell mit der Serviette. »Ja, alles ist bestens. Dem Baby
geht’s gut, es ist gesund, manchmal schläft es sogar die Nacht durch, wenn du
das meinst. Ich weiß ja, ich habe wirklich Glück, aber, na ja...« Sie hielt
sich zurück, aber schließlich konnte sie die Wahrheit nicht mehr für sich
behalten. »Manchmal fühle ich mich kreuzunglücklich, eigentlich sogar sehr
oft...« Sie blickte auf, um zu sehen, welche Wirkung diese Worte auf ihre
Freundin hatten, und war riesig erleichtert, als sie feststellte, daß Ramonas
Gesicht besorgt aussah, aber nicht kritisch.
»Ich weiß nicht, was mit mir los ist.
Es ist, als wüßte ich nicht mehr, wer ich bin... Und ich sehne mich danach, so
zu sein wie früher«, fuhr Alison fort. Sie fragte sich, wie man in diesem
Tempel der Sinnenfreuden überhaupt unglücklich sein konnte, wo alles, vom
Besteck bis zu den eigentümlichen Kronleuchtern mit den nackten Glühbirnen,
miteinander harmonierte. Das zeitgenössische Design kombinierte den Eindruck,
in Italien im Freien zu speisen, mit der geschäftigen, lauten Intimität einer
Bar in Downtown Manhattan.
»Ich scheine es einfach nicht
besonders gut zu können... Mutter zu sein«, versuchte sie zu erklären. Ihr
Versagen einzugestehen gab ihr fast neuen Auftrieb. »Ich sehe, wieviel Freude
alle Leute an ihren Babys haben, und dann denke ich, mit mir stimmt
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