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Keine große Affäre

Keine große Affäre

Titel: Keine große Affäre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Imogen Parker
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wußte, hatte sie inzwischen einen Spitzenjob. Als sie sah, wer
da auf sie zusteuerte, wurde ihr Gesicht etwas weicher.
    »Hi«, sagte sie, küßte Lia auf die
Wange und nickte Neil zu. Ihr fiel auf, daß er ihr winziges Baby in einer
grünen Kordschlinge über seinem schwarzen T-Shirt trug. »Ihr benutzt sie also?«
    »Hallo, Ally«, sagte er.
    Ihr Gesicht verhärtete sich für den
Bruchteil einer Sekunde und entspannte sich dann wieder. Er fragte sich, warum
sie eigentlich solche Angst hatte, entdeckt zu werden.
    »Wohin wollt ihr denn?« Sie richtete
die Frage an Lia.
    »Ach, wir wollen zu John Lewis. Wir
brauchen noch so viele Sachen. Bevor sie da war, sind wir nicht so richtig zum
Einkaufen gekommen«, erklärte Lia.
    »Natürlich.«
    »Und du?« fragte Lia sie.
    »Ich will nur auf einen Sprung nach
Richmond«, antwortete Alison. »Ich will mit einer Freundin zu Mittag essen. Das
ist mein erster richtiger Ausflug. Ich meine allein«, sagte sie schnell und
fügte mit einem schrillen Lachen hinzu: »Es kommt mir vor, als hätte ich
Ferien!«
    Das war kein schlechter Versuch, aber
erstunken und erlogen. Neil sah es in ihren Augen. Es amüsierte ihn, daß er
selbst nach zwanzig Jahren noch wußte, was in ihrem Kopf vor sich ging. Sie
hatte vorgehabt, in die Stadt zu fahren, aber sie wollte der Peinlichkeit aus
dem Weg gehen, sich zu ihnen setzen zu müssen.
    »Komm, Lia«, sagte er. »Wenn wir uns
nicht ranhalten, hat Annie wieder Hunger, und dann geht das Theater von vorn
los..«
    »Du hast recht.« Lia lächelte Alison
an. »Sehen wir uns am Donnerstag?«
    Die drei Frauen trafen sich jetzt
jeden Donnerstagvormittag in Kew Gardens.
    »Ja, bis Donnerstag«, antwortete
Alison und ging über die Brücke zum anderen Bahnsteig.
    Fast im selben Moment kam der Zug nach
London an. Lia und Neil stiegen ein und setzten sich. Dann warteten sie,
lächelten und winkten Alison zu. Nach ein paar Minuten wurde es ihnen langsam
peinlich, daß der Zug immer noch stand. Endlich schlossen sich die Türen mit
einem Preßluftseufzer, und sie fuhren ab,
    Neil fragte sich, ob Alison warten
würde, bis der Zug verschwunden war, und dann wieder hinübergehen würde, um auf
den nächsten zu warten, oder ob sie wirklich in die andere Richtung fahren, in
Richmond umsteigen und dann zurück nach London fahren würde. Wahrscheinlich
letzteres, dachte er. Sie war eine miserable Lügnerin, und sie würde das Risiko
nicht eingehen wollen, von jemandem gesehen zu werden und erklären zu müssen,
warum sie zuerst auf den einen Zug gewartet hatte und dann auf den anderen.
Aber er war ihr dankbar, daß sie jetzt nicht die gesamte Fahrt in die Stadt mit
gequälter Konversation zubringen mußten.
    »Sie heißt Alison«, sagte Lia, als der
Zug schneller wurde.
    »Was?« fragte er. Er verstand nicht,
was sie meinte.
    »Nicht Ally«, erklärte Lia. »Sie sieht
überhaupt nicht aus wie eine Ally .«
    »Oh, in Ordnung«, antwortete er.
»Entschuldigung.«
    »Ist schon okay«, fuhr Lia fort. »Ich
glaube nicht, daß es ihr was ausgemacht hat. Sie wirkt ein bißchen verklemmt,
aber das ist sie überhaupt nicht, wenn man sie erst mal richtig kennenlernt...«
    »Okay«, sagte Neil, der sich langsam
auch etwas unbehaglich fühlte. »Was brauchen wir denn jetzt eigentlich so
dringend?«
     
    Alison beugte sich herab und gab
Ramona ein Küßchen. »Entschuldige die Verspätung, aber mir ist noch jemand über
den Weg gelaufen.«
    »Schon gut«, sagte Ramona. »Wir haben
noch den ganzen Nachmittag...« Sie drückte eine Zigarette im Aschenbecher aus.
»Ich dachte, wir shoppen danach ein bißchen. Ich liebe dieses Geschäft. Es ist
der einzige Laden, der die Männer ins Untergeschoß verbannt...«
    Alison sah auf die glimmende Kippe,
die Ramona nicht ganz ausgedrückt hatte. Sie hatte sich geschworen, nicht
wieder mit dem Rauchen anzufangen. Sie versuchte sich einzureden, daß der
Geruch gräßlich war, aber er war es nicht. Sie fand ihn genauso köstlich wie
den Duft frischgemahlenen Kaffees, der von der Espresso-Bar herüberzog. Es
waren erwachsene Gerüche, die einen herrlichen Nachmittag lang Erlösung von dem
Leben versprachen, das nach Windeln, Babylotion und ekelhaft süßer,
verschütteter Säuglingsnahrung roch.
    »Hast du was dagegen?« fragte sie und
fingerte an dem Marlboro-Päckchen herum, das so verlockend auf dem Tisch lag.
    »Natürlich nicht, bedien dich.«
    Alison steckte sich eine Zigarette an
und inhalierte. Einen Augenblick lang konnte sie nicht

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