Keine große Affäre
sich hingedöst hatte, und herauszufinden, daß Guy genau so war, wie sie
sich einen Freund wünschen würde.
Ich will nicht wieder arbeiten, dachte
sie und seufzte laut.
Guy, der ihren Stimmungsumschwung
sofort spürte, hörte auf zu hopsen.
»Nein, ist schon okay, ich muß nur
über ein paar Sachen nachdenken«, erklärte sie ihm, nahm seine Hände und tanzte
mit ihm herum. Er lächelte wieder. Mit seinem wahnsinnigen Wust dunkler Locken
und dem entschlossenen, quadratischen Gesicht war er unverkennbar Charlies
Sohn.
Während ihrer Schwangerschaft war sie
sich so sicher gewesen, daß es richtig gewesen war, Charlie nichts davon zu
erzählen, aber seit Guys Geburt hatten sie gelegentlich Zweifel geplagt, die
immer stärker wurden, je mehr Guys Persönlichkeit sich ausprägte. Sie ertappte
sich dabei, wie sie sich ihr erstes Gespräch über seinen Vater vorstellte, und
wußte jetzt schon, daß sie ihren Sohn nicht anlügen könnte. Trotzdem wollte sie
ihn nicht durcheinanderbringen, indem sie ihm die Wahrheit über Dinge sagte,
die er erst viel später verstehen konnte. Nicht einmal sie selbst verstand
wirklich, warum sie sich entschlossen hatte, das Baby auszutragen, denn als sie
diese Entscheidung getroffen hatte, war ihr nicht im entferntesten bewußt
gewesen, daß es das Beste war, das sie jemals getan hatte.
Es war ja gut und schön, auf
Dinner-Parties darüber zu plaudern, wie die Zeitschrift Hello! ihr Leben
verändert hatte. Es war ihr sogar gelungen, sich selbst vom Wahrheitsgehalt
dieser Anekdote zu überzeugen. Aber manchmal, um zwei Uhr morgens, nach ein
oder zwei Gläsern Wein, in diesen einsamen Momenten, in denen man schonungslos
ehrlich zu sich selbst war, fragte sie sich, ob sie nicht vor allem den Wunsch
gehabt hatte, ihren Vater auf die Palme zu bringen. Das war nicht die ganze
Wahrheit, versicherte sie sich dann selbst, aber sie mußte zugeben, daß es eine
große Rolle gespielt hatte.
Sie bückte sich, um ihren Sohn
hochzuheben. »Komm, wir schauen mal im Schrank nach einem Party-Outfit.«
Sie zog Guy aus dem Babyhopser, hielt
ihn auf ihrer Hüfte und ging durch den Gang zum Schlafzimmer am anderen Ende
der Wohnung. Sie setzte ihn aufs Bett, packte Kissen um ihn herum und riß die
geschnitzte Holztür des riesen Eichenschranks auf, der eher in eine Kirche
gepaßt hätte als in ein Schlafzimmer. Aus dem obersten Fach ergossen sich
Pullis und T-Shirts über sie. Guy kreischte vor Lachen.
»Wie findest du das?« fragte sie, als
sie sich ein schwarzes Stretchminikleid über Jeans und T-Shirt zog und sich um
die eigene Achse drehte wie ein Model am Ende des Laufstegs.
»Nein, du hast recht«, sagte sie, als
sie das verblüffte Gesicht ihres Babys sah. »Selbst mit passender Unterwäsche
macht es nichts mehr her, jetzt wo ich Titten habe.« Sie zog das Kleid aus,
griff in den Schrank und nahm ein glänzendes, lindgrünes Hemd vom Bügel. Sie
sah es lange prüfend an und sortierte es dann aus. Immer verzweifelter ging sie
die Bügel durch, die ihren Schrank verstopften. Von vielen Sachen konnte sie
sich einfach nicht trennen, obwohl sie vermutete, daß sie sie nie mehr tragen
würde — abgeschnittene, hautenge T-Shirts, ein Minirock aus falschem
Leopardenfell, ein grellpinker Leinenanzug mit kurzen Hosen, den sie auf Pics
Hochzeit getragen hatte. Aber für Roberts Weihnachtsfete hatte sie nichts
Passendes.
»Ich hab absolut nichts anzuziehen!«
sagte sie mit der Stimme einer lustlosen Debütantin. Wieder lachte Guy.
Wie konnte er in seinem Alter schon
unterscheiden, ob eine Stimme komisch war oder normal, fragte sie sich und war
erstaunt über seine Intelligenz.
»Komm«, sagte sie und nahm ihn wieder
hoch. »Jetzt suchen wir die Kreditkarten und geben ein bißchen Geld aus, das
wir nicht haben. Mummy muß schließlich hübsch aussehen, wenn sie Daddy trifft.«
Alison eilte gerade am Spielwarenladen
vorbei, als ihr eine kleine Zuschauermenge aus Kleinkindern auffiel, die sich
um ein größeres Kind geschart hatte, das auf allen vieren in der Spielecke am
Fenster herumkroch. Erst als das ältere Kind aufsah und ihr zuwinkte, erkannte
sie, daß es Ginger war, die kleine Zootiere aus Gummi entdeckt hatte und ihrem
Sohn gerade demonstrierte, welche Geräusche sie machten. Guy saß in seinem
Sportwagen und sah ernst zu, wie seine Mutter wie ein Elefant trompetete, wie
ein Löwe brüllte und wie ein Seehund bellte.
»Und jetzt«, fragte Ginger sich laut
und nahm einen Gummipinguin in die
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