Keine halben Küsse mehr!: Roman (German Edition)
war.
»Ich glaube, heute kommen wir nicht weiter«, sagte Amelie schließlich, Duncan aus seinen Tagträumen reißend. »Ich würde sagen, machen wir Schluss und fangen wir morgen noch mal ganz frisch an.«
»Gute Idee. Mein Gott, ist es schon so spät? Ich muss sowieso gehen«, sagte Duncan zur großen Wanduhr hinblickend. »Und – hast du heute Abend was vor?«
»Ich treffe mich mit Claire. Wieso, was hast du vor?«, fragte Amelie misstrauisch, als sie sah, dass Duncan rot wurde.
»Weiß noch nicht... wahrscheinlich gehe ich aus«, erwiderte Duncan ausweichend und blickte überallhin, nur nicht Amelie an, was er immer dann tat, wenn er etwas zu verbergen versuchte.
»Was soll das heißen, du weißt nicht?« Amelie musterte Duncans rote Backen. »Hat Dunky sich etwa ein Slow Date eingefangen?«
»Du spinnst ja. Ich gehe doch nur mit Max und seiner Freundin Audry essen. Aber er meinte, vielleicht kommt auch ihre Schwester mit. Nichts weiter.«
Max, der in der Buchhaltung von LGMK arbeitete, war Duncans bester Kumpel. Da dieser nun schon seit sechs Jahren eine Freundin hatte, versuchte er öfters, mit mehr oder weniger großem Erfolg, Duncan an seine weiblichen Bekannten zu verkuppeln.
»Oh, du meinst die ach so glamouröse Sara-Jayne, die Fashion-Einkäuferin aus New York?«, bohrte Amelie nach, während sie in ihre Jacke schlüpfte und ihren Schreibtisch ein wenig aufräumte.
»Ja, das ist sie. SJ, so will sie genannt werden. Es scheint, als hätte sie vor, wieder hierher zurück zu ziehen«, erklärte Duncan, während sie sich auf den Weg zum Lift machten.
Sie schlenderten an all den Workstations, die das Großraumbüro besiedelten, vorbei und auch an dem neuinstallierten Ballspielbereich mit Basketballkorb, eine »Inspirationszone«, die sie Josh zu verdanken hatten. Als sie an Joshs großem Eckbüro vorbeikamen, sah Amelie, dass die Tür ein wenig offen stand. Josh saß an Janas altem Schreibtisch, in Janas altem Büro. Amelie war traurig zu sehen, wie schnell er offenbar Janas Möbel losgeworden war und durch seine eigenen Sachen ersetzt hatte. Und was für Sachen! In einer Ecke stand ein poppig bemaltes Didgeridoo, daneben eine große, mit Aborigenes-Schnitzereien verzierte Bongotrommel. Und schließlich, im großen sonnigen Erkerfenster, das auffallendste Stück von allen: eine rotlila Batik-Hängematte, direkt aus der Khao San Road in Bangkok. Amelie verdrehte verächtlich die Augen. Josh saß eifrig kritzelnd über seinen Notizblock gebeugt, offenbar vollkommen in eine zündende Idee vertieft. Amelie wandte den Blick ab und flüsterte Duncan, während sie zum Lift gingen, zu: »Wozu hat er all das Zeugs hierher geschleppt? Dieser Angeber!«
Duncan zuckte die Schultern und erwiderte: »Ich finde es cool – ein Schrein für das einfache Leben! Und überhaupt, du bist doch auch herumgereist, oder? Warum kritisierst du ihn dafür, dass er an den Sachen hängt? Hast du nicht gehört, wie er sagte, wir könnten uns jederzeit in die Hängematte legen, wenn er nicht da ist? Ich finde, das ist ein wunderbarer Ort zum Nachdenken, oder?«
»Na ja, kann sein«, brummelte Amelie, während sie den Lift betraten. »Tut mir leid, Dunc, aber ich mag den Mann einfach nicht. Mir gefällt seine Einstellung nicht.«
Duncan zuckte gleichgültig die Achseln, und Sekunden später traten sie aus dem Lift in die Eingangshalle.
»Tschüss, Chloe! Bis morgen«, rief Duncan der schüchternen australischen Praktikantin zu, die nach Fleurs Beförderung zu Joshs PA an den Empfang gesetzt worden war.
Chloe blickte schuldbewusst von der epischen E-Mail auf, die sie gerade an ihre Freunde in Melbourne schrieb, und strich sich das Blondhaar aus den Augen. »Ach, ihr seid’s! Ja, bis morgen, schönen Abend wünsche ich!« Sie lächelte. Da begann das Telefon zu piepen, und sie setzte sich hastig die Kopfhörer auf. Mit einem gespielten Verdrehen der Augen flötete sie: »LGMK, was kann ich für Sie tun?«
»Gehst du auch zur U-Bahn?«, fragte Duncan.
»Nein, ich hab dir doch gesagt, dass ich mich mit Claire in der All Bar One treffe.« Sie verließen den Soho Square und bogen in die Frith Street. Es war bereits dunkel, und eine kalte, klamme Januarkälte hatte die Stadt im Griff.
»Ach, Am, bist du sicher, dass ich dich nicht begleiten soll? Er könnte schließlich irgendwo da draußen lauern, hinter einem Laternenpfahl, und nur darauf warten, dich anzuspringen!«
»Wer?«, fragte Amelie unschuldig. Sie hatte die Vorfälle
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