Keine halben Küsse mehr!: Roman (German Edition)
obwohl sie sich darauf gefreut hatte, nach der Veranstaltung noch einmal mit ihm zu schwatzen, hatten sie die riesige Anzahl von Dates und die ständigen Wiederholungen so unterhöhlt, dass sie nur noch nach Hause wollte. Auch fühlte sich ihr Gedächtnis an wie ein Sieb: Sie konnte nichts mehr aufnehmen.
Nachdem sie sich ein paar Notizen zu Derek, dem Handelsvertreter für Erbauungsliteratur gemacht hatte, stellte sie zu ihrer großen Erleichterung fest, dass nur noch ein Date übrig blieb. Sie verabschiedete sich von Derek, rieb sich die müden Augen und schleppte sich zum nächsten Tisch, der hinter einer weißen Säule verborgen lag. Amelie zog den lila Samtvorhang beiseite und fragte sich, was sie wohl erwarten mochte. Als sie sah, wer dort saß, wurde sie kreidebleich und musste sich an der Säule festhalten, um nicht ohnmächtig zu werden.
»Hallo, Amelie. Ich hab dich gar nicht kommen sehen.«
8. KAPITEL
Ein Geist aus der Vergangenheit
Daheim, Freitag, 21. Januar, 12:00 Uhr
Gerade wenn ich die guten Seiten des Speed-Datings zu sehen beginne. Gerade wenn ich anfange zu denken, dass es vielleicht doch nicht so schlecht ist. Da geschieht das Undenkbare.
Wer unter all den Scheißkerlen der Welt sollte ausgerechnet mein letztes Date für den Abend sein? Wer sollte sich den ganzen Abend lang hinter seiner Säule versteckt und mir hinterherspioniert haben, weil er wusste, dass ich sofort Reißaus nehmen würde, wenn ich ihn sähe? Niemand anders als der Scheißkerl aller Scheißkerle, König aller Arschlöcher, Mr. Jack Halliwell.
Der egoistische Jack Halliwell, den ich vor drei Jahren in flagranti erwischt habe, wie er es mit seiner feinen Anwaltskollegin in unserem Wohnzimmer trieb. Wie er mich betrogen hat. Der arrogante Jack Halliwell, der mein Herz gestohlen und es in tausend Stücke zerbrochen hat. Halliwell, den ich nie wieder sehen wollte, solange ich lebe. Zum Teufel mit diesem blöden Projekt, diesem hirnrissigen Auftrag; ich wünschte, ich wäre nie auf die Idee gekommen, noch mal zum Speed-Dating zu gehen. Feldforschung, dass ich nicht lache!
Aber wie verrückt es doch ist, dass er auch dort war. Was für ein unwahrscheinlicher, fürchterlicher Zufall.
Mein Gott, er sah so anders aus – so still und in sich gekehrt, bleich, unrasiert – und so dünn! Nichts mehr zu sehen von den kleinen Fettpölsterchen, die er sich gegen Ende unserer Beziehung angefuttert hatte. Das mag wohl auch der Grund sein, warum ich ihn nicht schon früher bemerkt habe. Er sah so ganz anders aus, als ich ihn in Erinnerung habe! Nicht, dass ich mich überhaupt an ihn erinnern will! Selbst jetzt, nach drei Jahren, überkam mich derselbe rasende Schmerz wie an jenem schrecklichen Januarnachmittag. Mein Magen tut an genau derselben Stelle weh, und ich möchte ganz genauso heulen, wie damals.
Aber das ist noch nicht das Schlimmste – es reichte nicht, dass ich die längsten drei Minuten meines Lebens durchleiden musste, nein, dieser arrogante Bastard besaß die Frechheit, sich diese Zeit zunutze zu machen und mir tief und schmachtend in die Augen zu schauen, mir zu sagen, dass das mit Penny nie funktioniert hätte... dass es in all der Zeit, die vergangen ist, nicht einen Tag gab, an dem er das, was er mir angetan hat, nicht bereute. Das mit Penny hätte ihm nie was bedeutet, sagte er, das sei für ihn nur ein Flirt gewesen... er hatte das Gefühl gehabt, das mit uns sei alles viel zu schnell gegangen, gleich nach dem College zusammenzuziehen... blablabla und der ganze vorhersehbare Rest.
Was mich jedoch am meisten ergrimmte war, dass er die Frechheit besaß mir zu sagen, er würde mich noch immer vermissen, müsse immerzu an mich denken. Er sagte, er hätte schon lange den Wunsch gehabt, Verbindung mit mir aufzunehmen, hätte nur nicht gewusst, wie und wo anfangen ...
Doch dann kam das Schlimmste*. Er fing an von »Schicksal« zu reden, dass es uns »bestimmt« gewesen sei, uns noch einmal zu begegnen. Er wusste, dass er bei mir, der hoffnungslosen Fatalistin, damit etwas erreichen würde. Einen Moment lang wäre ich fast auf ihn reingefallen, hatte das Gefühl, dass dies der Grund sein könnte, warum wir dieses Projekt bekommen hatten – und weshalb ich mich entschieden hatte, noch einmal hinzugehen. Alles nur, damit wir beide uns noch einmal begegnen konnten – als wäre das unvermeidlich, als wäre es längst in den Sternen geschrieben gewesen. Doch als ich ihm gerade meine Telefonnummer aufschreiben wollte,
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