Keine Lady ohne Tadel
Frauen der Gesellschaft eingestehen?
»Eigentlich finde ich Fairfax-Lacy auch nicht so attraktiv«, gab Esme zu. »Es liegt daran, dass er so ein typisches englisches Gesicht hat. Und schmalbrüstig ist er außerdem, nicht wahr? Außerdem habe ich Männer mit langem Kinn noch nie ausstehen können.«
Helene warf Esme ein schmerzliches Lächeln zu. »Mit seinem Aussehen hat es nichts zu tun. Denn er gefällt mir. Ich habe einfach nicht genug Mut aufgebracht, um mit ihm ins Bett zu gehen.« Verlegen fügte sie hinzu: »Er war sehr liebenswürdig und geduldig.«
Arabella nickte. »Es gibt solche Männer, mit denen man es sich einfach nicht vorstellen kann. Bei meinem zweiten Ehemann war es leider auch so. Aber was mich wirklich interessiert«, sie wandte sich an Esme, »ist: Was hat dich geritten, deine Verlobung mit einem Mann mit so unvorteilhaftem Kinn zu verkünden? Oder, anders gefragt: Was hat eigentlich der Marquis Bonnington in deinem Haus zu suchen, Esme?«
Esme hätte sich fast an ihrem Ingwerkeks verschluckt. »Weil er … mir damit seine Reue zeigen will?«, fragte sie hoffnungsvoll.
»Jetzt wiederhole doch nicht den Unsinn, den ich deinem Nähkränzchen aufgetischt habe!«, schalt Arabella. »Gestern Abend bist du jedem vertraulichen Gespräch aus dem Weg gegangen, indem du dich an den Arm deines Verlobten geklammert hast, aber jetzt würde ich gerne die Wahrheit erfahren. Warum ist der Marquis hier?«
Helene beugte sich vor. »Das würde ich auch gern erfahren, Esme. Ich habe es ja hingenommen, dass seine Mutter hier ist, ich dachte, es hätte mit den Ereignissen des letzten Sommers zu tun. Obgleich es dennoch merkwürdig ist –«
Arabella musste ihr natürlich ins Wort fallen. »Merkwürdig? Es ist verteufelt mysteriös, dass Honoratia Bonnington hier ist!«
Esme seufzte schwer.
»Du klingst wie ein Blasebalg«, bemerkte die Tante. »Raus mit der Sprache!«
Esme musterte sie einen Augenblick nachdenklich. Arabella sah so zart und zerbrechlich aus, als könne sie von einem Windstoß umgeblasen werden, aber dennoch waren sie und die furchterregende Lady Bonnington aus demselben Holz geschnitzt. Also rückte Esme mit der Sprache heraus.
»Aber eigentlich will ich gar nicht heiraten«, beendete sie ihren Bericht. »Und am allerwenigsten Lord Bonnington. Es wäre weder Miles noch dem Kind gegenüber fair.«
Nach einem Augenblick betroffenen Schweigens brach Arabella in gackerndes Gelächter aus. »Wolltest dir deinen Bonnington für einsame Nächte warmhalten, was? Und am Tag hat er für dich im Garten geschuftet! Und ich dachte schon, du hättest dich mit Leib und Seele der Witwenschaft ergeben. Herrgott, Esme, nicht einmal ich habe jemals einen solchen Skandal heraufbeschworen!«
»Was denn für einen Skandal?«, fauchte Esme. »Du selbst hast doch mit deinen vielen Bibelzitaten dafür gesorgt, dass das Nähkränzchen nicht misstrauisch werden konnte!«
»Hat mich auch eine gute Stunde gekostet, diese Zitate zusammenzuklauben, das kannst du mir glauben!«, gab Arabella zurück.
»Esme, findest du nicht, du solltest dieses Nähkränzchen allmählich aufgeben?«, warf Helene zaghaft ein. »Dein Leben ist doch schon … kompliziert genug. Vielleicht wäre es besser, wenn du diese Argusaugen loswürdest.«
»Das Nähkränzchen ist ein wichtiger Teil meines neuen ehrbaren Lebens«, sagte Esme trotzig. »Eigentlich gefällt es mir sogar.«
»Das wüsste ich aber!«, widersprach Arabella. »Du hast überhaupt kein Talent für Handarbeiten. Manchen Frauen liegt das eben nicht.«
»Du weißt doch, dass Mama Hemden für die Armen näht«, gab Esme zu bedenken. »Und zwar komplette Hemden, einschließlich Kragen und Manschetten.«
Arabella schwieg betroffen. Dann besann sie sich. »Meine Güte, Esme, ich möchte wirklich nicht schlecht über meine Schwester reden, aber Fanny ist wirklich ein bisschen beschränkt. Sie vergeudet viel Zeit mit Kragennähen für Unbekannte, während ihre Tochter mutterseelenallein auf dem Land hockt. Sie weiß nicht, was wirklich wichtig ist.« Arabella beugte sich vor und drückte Esme die Hand. »Werde bloß nicht so wie deine Mutter! Du hattest immer ein lebensfrohes Naturell. Fanny aber ist mit der Zeit zu einer öden Person geworden, wenn ich das sagen darf.«
»Jetzt bist du aber ungerecht!«, protestierte Esme. »Mama hat in ihrem Leben so viele Enttäuschungen erlitten.« Von denen ihre Tochter offenkundig die größte war.
»Sie ist kleinmütig«, beharrte
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