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Keine Lady ohne Tadel

Keine Lady ohne Tadel

Titel: Keine Lady ohne Tadel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eloisa James
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schwerer, sie mir zu Herzen zu nehmen, wie ich es früher getan habe.« Stephen ging es von Minute zu Minute besser. Was er brauchte, war eine Frau, die ihn von dem Gefühl erlöste, die Welt sei grau und ohne Sinn. Lady Godwins leicht verlegener Charme war das perfekte Heilmittel.
    »Oje«, sagte Helene mitfühlend und berührte leicht seine Hand. »Das tut mir aber leid. Ich finde nämlich, dass Sie unter den Tories der Redner sind, der die Dinge am klarsten zu benennen weiß. Ich für meinen Teil, Sir, scheine mich der Partei der Whigs näher zu fühlen.«
    »Das finde ich alarmierend. Was zieht Sie denn in das Lager des Feindes?«
    Wenn er sie anlächelte, bildeten sich kleine Fältchen um seine Augen. Helene hätte fast den Faden verloren. Er besaß sehr lange, schlanke Finger. Hieß das nicht … hatte Esme ihr nicht einmal etwas über Männerhände anvertraut? Sie verbot sich jeden weiteren unzüchtigen Gedanken. »Ich habe die letzten Jahre der Tory-Regierung nicht sonderlich zufriedenstellend gefunden«, sagte sie mit Nachdruck.
    »Ach ja?«
    Seine Augen schienen ehrliches Interesse an ihren Ansichten auszudrücken. Helene gab sich Mühe, etwas Kluges zu sagen. »Um die Wahrheit zu sagen, glaube ich, dass die Regierung einen gewaltigen Fehler macht, wenn sie die vielen Menschen im Land vergisst, die keine Arbeit haben. Die heimatlosen, arbeitslosen Soldaten, die auf unseren Straßen umherziehen, sind ein lebender Vorwurf für uns alle.«
    Stephen nickte und strengte sich an, wie ein gewissenhafter und teilnahmsvoller Politiker zu klingen. »Ich weiß. Ich wünschte nur, ich wäre überzeugt, dass ein Regierungswechsel das Problem der entlassenen Soldaten ändern würde.« Sie war so schlank, dass man sich fragen musste, ob sie überhaupt ein Korsett trug. Ihm hatte dieses Bekleidungsstück ja nie sonderlich gefallen, auch wenn Frauen es offenbar für unverzichtbar hielten.
    »Ich sollte nicht ausgerechnet Sie schelten«, sagte Helene. »Habe ich nicht kürzlich eine Rede von Ihnen zu dem Thema gelesen, eine Rede, die in der
Times
abgedruckt wurde? Darin schilderten Sie sehr beredt die Lage der hungrigen Arbeiter.«
    Es war schon erschreckend, wie gering Stephens Interesse an der Misere der hungrigen Arbeiter geworden war. »Ich danke Ihnen«, sagte er, »aber ich fürchte, meine Reden zerrinnen wie Wasser auf Fels: Sie zeigen wenig Wirkung.«
    Sie beugte sich eifrig vor. »Sagen Sie das nicht! Wenn nicht gute Männer wie Sie für die Armen und Geschlagenen aufstehen, wer sollte es dann tun?«
    »Ich habe mir unzählige Male das Gleiche gesagt, doch ich muss gestehen, Lady Godwin, dass diese Ermunterung viel besser klingt, wenn ich sie aus dem Mund einer klugen Frau vernehme.« Sie trug doch ein Korsett. Er merkte es daran, dass sie sich ein wenig steif vorbeugte wie eine Marionette. Warum in aller Welt trug sie so ein Marterinstrument, wenn sie keine große Leibesfülle einsperren musste?
    Helene lief rosa an und merkte, dass sie in der Aufregung Mr Fairfax-Lacys Hand ergriffen hatte. Verlegen versuchte sie sie zurückzuziehen, doch er hielt sie einen Moment fest.
    »Es ist wahrlich eine Freude, eine Frau kennenzulernen, die sich für das politische Leben unserer Nation interessiert.«
    Er hat eine schöne Stimme,
dachte Helene.
Kein Wunder, dass seine Reden so viele Zuhörer finden!
Zu ihrem Glück (denn sie hätte in dem Moment nichts darauf zu antworten gewusst) servierte Slope nun den Sherry, der die merkwürdige Intimität ihrer Stimmung unterbrach.
    Sie saßen einen Augenblick schweigend da, und ein unbeteiligter Beobachter hätte gesehen, dass Lady Godwins Wangen rosig überhaucht waren. Und derselbe Beobachter hätte festgestellt, dass Mr Fairfax-Lacy verstohlen auf Lady Godwins Gesicht schielte, während sie alle Aufmerksamkeit ihrem Sherryglas widmete.
    Ein scharfsinniger Beobachter von der Art, die in eines Menschen Herz sehen kann, hätte sogar Erwartungen erkannt. Zügellose Erwartungen, die alsbald zu Konsequenzen führten.
    Denn Gräfin Godwin beschloss für sich, dass Mr Fairfax-Lacy wunderbar schmale Wangen hatte. Seine Schenkel gefielen ihr ebenfalls, doch dergleichen Gedanken hätte sie niemals in Worte gefasst. Außerdem versuchte sie sich verzweifelt daran zu erinnern, was Esme ihr über Männer mit langen Fingern erzählt hatte.
    Wie der Zufall es wollte, weilten auch Mr Fairfax-Lacys Gedanken bei Fingern. Diejenigen der Gräfin Godwin waren schlank, hatten rosa Spitzen und waren

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