Keine Pizza für Commissario Luciani
andere für Sabrina Dongo. Der alte anarchistische Fischer glaubte sicher
nicht an Gott, und die Kopfgeldjägerin war zu jung gewesen, um sich um derlei zu scheren, aber die beiden Flämmchen würden
ihnen gewiss nicht schaden, vielleicht aber die blinden Flecken erhellen, die noch auf der Oberfläche des Gemäldes waren und
ihm den Blick auf des Rätsels Lösung verwehrten.
Er bewunderte die schlanken, bunten, atemberaubenden Säulen, die den Blick fast magisch in Richtung der freskengeschmückten
Zentralkuppel zogen. Dann bog er in das rechte Kirchenschiff ein und ging schnurstracks zum ersten Beichtstuhl. Der Vorhang
war zugezogen, eine alte Frau |296| erzählte dem Priester auf Knien ihre Sünden. Der Kommissar schlenderte eine Weile in der Kirche herum, und sein Blick wurde
von einer Statue der Madonna mit Kind angezogen. Es war die »Madonna del Parto« von Sansovino, wie er auf der Plakette las.
Der Säugling war entzückend, und wieder überfiel ihn die Vorstellung, Vater zu werden. Dies passierte ihm aus unerfindlichen
Gründen in letzter Zeit häufiger, obwohl er nicht den geringsten Wert darauf legte, die Rolle des heiligen Joseph zu spielen.
Er sah, wie die Alte sich bekreuzigte, mit einiger Mühe aufstand und gesenkten Hauptes eine Kirchenbank ansteuerte, wo sie
sofort zur Buße ihre Ave-Maria betete. Der Kommissar nahm einen tiefen Atemzug und kniete sich in den Beichtstuhl.
»Pater, vergebt mir, denn ich habe gesündigt«, sagte er.
Durch das Gitter konnte er im Profil die Silhouette des Priesters erkennen.
»Wann hast du das letzte Mal gebeichtet, mein Sohn?«
»Vergessen Sie das, Pater. Denn heute sind Sie es, der mir etwas zu beichten hat.«
Pater Antiochus zuckte zusammen. »Endlich sind Sie gekommen, Signor Commissario.«
Sie sprachen lange, mit leiser Stimme, beschützt von der weihevollen Pracht des Gotteshauses und dem heiligen Sakrament der
Beichte.
Pater Antiochus erzählte die Geschichte von Anfang an. Weit schien inzwischen jener Abend zurückzuliegen, an dem er bis spät
in die Nacht durch die Altstadt Assisis gewandert war, von Zweifeln über seine Zukunft geplagt, bis ein sichtlich nervöser
Mann ihn fast gewaltsam mit in sein Haus gezerrt hatte, wo er einem sterbendem Greis die Beichte abnehmen sollte. Er fuhr
fort, erzählte, wie sie die versteckte Statue in einer Truhe im Keller gefunden hatten. |297| Dieselbe Statue, die er jetzt bei Ventotene wieder hatte auftauchen sehen, als ob man sie gerade erst in der Erde entdeckt
hätte.
»Erklären Sie mir eines, Pater«, unterbrach Marco Luciani ihn, »wenn Ranieri die Statue schon vorletzten Sommer gefunden hat,
warum hat er es damals nicht sofort gesagt?«
»Anfangs dachte ich, er wollte sich nicht in Schwierigkeiten bringen. Doch dann verstand ich, dass er erst die Rahmenbedingungen
für den Fund schaffen musste, um ihn richtig ausschlachten zu können. Deshalb hat er die Insel Santo Stefano gekauft oder
von jemandem aus seinem Umfeld kaufen lassen. Außerdem wollte er sicher sein, dass ihn auch nach so vielen Jahren niemand
entlarven konnte, deshalb musste er überprüfen, ob es noch Zeugen für den ursprünglichen Fund gab. Und wenn ja, musste er
sie eliminieren.«
Pater Antiochus fuhr in seiner Erzählung fort. Am Tag nach dem Fund der Statue intervenierte der Erzbischof höchstpersönlich,
ließ ihm mittels seines Priors danken und sich den Schlüssel zur Truhe übergeben. Er versicherte, die Sache liege nun in besten
Händen. Monatelang hörte Pater Antiochus nichts mehr, und als er nachfragte, antwortete man ihm, das sei eine alte Geschichte,
die könne man getrost vergessen. Da er sich nicht zum Komplizen eines Betrugs machen, sich aber auch nicht an die Polizei
wenden wollte, hatte er Sabrina Dongo davon erzählt. Wie und warum er sie kennengelernt hatte, tue nichts zur Sache. Jetzt
jedoch fühlte er sich verantwortlich für das, was ihr zugestoßen war. Ihr Tod hatte ihn alarmiert, und deshalb hatte er eine
andere Detektivin kontaktiert, Sofia Lanni. Doch erst jetzt, nach dem Fund der Statue, war er zu seinem Prior gegangen, um
Rechenschaft zu verlangen. Die einzige Antwort sei ein Verweis auf die Heiligkeit des |298| Beichtgeheimnisses und die Unergründlichkeit des göttlichen Ratschlusses gewesen, der bisweilen dunkle und verschlungene Pfade
wähle, um letztlich zur Erlösung zu führen.
Zwei Tage später wurde ihm ein Brief zugestellt, mit der Mitteilung,
Weitere Kostenlose Bücher