Keine Pizza für Commissario Luciani
gewartet, die Göttin wollte, dass genau er sie fände.
Von diesem Augenblick an hatte Marietto versucht, die richtigen Entscheidungen zu treffen. Er hatte sie gegen die Habgier
der Kameraden verteidigt und sein Leben dafür riskiert. Er hatte sie versteckt und dann wieder hervorgeholt, und er bedauerte
nicht, dass er hatte töten müssen, um das zu tun. Die Gerechtigkeit verlangte Opfer, manchmal auch Menschenopfer, und in jenem
Gefängnis hatte er viele Menschen sterben sehen, die besser und aufrechter gewesen waren als der Tarantino.
Nur eines quälte ihn: In jener Nacht hatten ihn auf der Insel Angst und Aufregung übermannt. Im Wasser lagen zwei Tote, drei
Zeugen waren auf der Flucht, und er hatte schnell begriffen, dass man ihn dort besser nicht antreffen sollte. Vielleicht würden
die Römer nicht reden, vielleicht aber würde es ihnen auch gelingen, den Fischern die Schuld in die Schuhe zu schieben und
sich obendrein den Kopf zurückzuholen. In Santo Stefano hatte er viele Häftlinge |302| kennengelernt, die die Strafe für einen absaßen, der reicher und schlauer war als sie. Wenn einem ein oder zwei Morde und
der Diebstahl an Staatseigentum angehängt wurden, dann hieß das, man blieb bis zum Ende seiner Tage hinter Gittern.
In jener Nacht hatte Marietto einige Minuten nicht gewusst, was er tun sollte, er hatte der Versuchung widerstanden, den Kopf
der Göttin auf Fierros Schaluppe zu laden und zur Küste zurückzurudern. Das Risiko, dass jemand ihn sah, war zu groß, das
Boot kannten viele, und der Kopf war ein allzu kompromittierendes Beweisstück.
Am Ende hatte er, wenn auch schweren Herzens, eine andere Lösung gewählt: Er hatte den Kopf der Themis erneut an einer sicheren
Stelle vergraben, um eines Tages zurückzukommen und ihn zu holen. Dann hatte er sich schwimmend nach Ventotene geflüchtet,
war zu einem Boot zurückgekehrt, das er gestohlen und in einer tiefen Grotte bei Punta Eolo versteckt hatte. Von dort war
er an die Küste gelangt und in den ersten Zug gestiegen, der in seine Heimat fuhr.
Tag für Tag suchte er seitdem nach dem Mut, nach Santo Stefano zurückzukehren, um sich schließlich ein ums andere Mal zu sagen,
dass die Göttin sich jemandem offenbaren würde, der würdiger war als er.
Ventotene, heute
Ludovico Ranieri stand auf der Brücke seiner Vierzehn-Meter-Yacht. Den ersten Anruf mit dem neuen Satellitentelefon hatte
er sich aufgehoben, um das größte Geschäft seines Lebens zu feiern.
»Sehen Sie, Monsignore? Alles ist in schönster Ordnung. Ich muss Ihnen noch einmal für Ihre Hilfsbereitschaft danken.«
|303| »Oh, ich habe nichts getan, Herr Minister. Ich habe nur zugelassen, dass die Dinge ihren ganz natürlichen und für alle befriedigenden
Lauf nehmen. Der Staat hat ein Werk von außerordentlichem Wert erworben. Die Statue wird wieder in ihrem ursprünglichen Glanz
erstrahlen, wird von allen bewundert werden und im menschlichen Gemüt edle Empfindungen wachrufen können. Unsere Gesellschaft
hat, zum Ruhme Gottes, eine Insel gewonnen, und die Besserungsanstalt, die darauf errichtet wird, mag bald ein leuchtendes
Vorbild für die ganze Welt sein. Und Sie, Herr Minister, haben Ihre finanziellen Probleme gelöst und erfreuen sich nun eines
enormen Kredits bei der italienischen Wählerschaft. Ganz zu schweigen von dem guten Werk, das Sie getan haben und für das
Sie im Himmelreich Ihren gerechten Lohn empfangen werden. Ich glaube auch sagen zu können, dass Ihres Vaters Wille in Geist
und Gehalt erfüllt worden ist.«
Nichts zu machen, die Jesuiten haben den anderen einfach etwas voraus, sagte Ludovico sich, während er das Gespräch beendete.
Es war eine phantastische Operation gewesen. Die fünfundzwanzig Millionen, die der Staat als Entschädigung für die Themis
aufgebracht hatte, würden in den Kassen der Wilhelmina, das hieß, seiner Freunde im Talar, landen und den Ankauf der Insel
wettmachen. Mit seinem Anteil würde er die Schulden seines Vaters tilgen und trotzdem noch reichlich Geld übrig haben, ganz
zu schweigen davon, dass sein Wählerpotential enorm gestiegen war, weil alle Italiener ihn nun bestens kannten. Sicher, viele
hatten ihn kritisiert und attackiert, aber das war in der Politik nicht unbedingt ein Schaden, denn wenn die gesamte Presse
über einen herfiel, dann gewann man am Ende bei den Leuten Sympathiepunkte. Die Statue würde bald restauriert werden, anschließend
würde das
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