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Keine Pizza für Commissario Luciani

Titel: Keine Pizza für Commissario Luciani Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Paglieri
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Früher hieß es, es fehle die Gewissheit der Bestrafung, aber inzwischen ist es die Bestrafung an sich, die fehlt.« 3
    Aus dem Augenwinkel sah er sich auf dem Monitor und merkte, dass er sich zu sehr echauffiert hatte. Den Reaktionen des Saalpublikums
     nach zu urteilen, hatte er jedoch wieder gepunktet.
    »Sie machen die Gesetze. Wir wenden Sie nur an«, erwiderte der Richter.
    »O nein! Das ist nur eine Ausrede, um sich aus der Verantwortung zu stehlen. Sonst könnte man das Strafmaß auch per Computer
     festlegen. Der Richter ist dagegen genau dazu da, den …«
     
    |80| Marco Luciani schaltete den Fernseher ab, stand vom Sofa auf und ging in die Küche, um sich einen Tee zu machen. Er sah sich
     selten diese Sendungen an, das war nur hohles Geschwätz, das nirgendwo hinführte. Er hatte es satt, immer dieselben Phrasen
     zu hören, dieselben Verhohnepipelungen, die am Ende in ein lächerliches Gesetz mündeten, das den großen Betrügern den Arsch
     rettete, oder in eine Amnestie, die die Bestien dieser Erde wieder in die freie Wildbahn entließ. Vor zehn Jahren hatte er
     bei der Polizei angefangen, in der Überzeugung, die Spielregeln wären einfach: Du begehst eine Straftat, ich versuche dich
     zu erwischen, ein Richter verurteilt dich, du wanderst ins Gefängnis und hast Zeit zum Nachdenken, und wenn du wieder rauskommst,
     musst du entscheiden, was du tust. Entweder bleibst du kriminell, oder du versuchst, ein neues Leben anzufangen. Er hatte
     sich keine Illusionen gemacht, ihm war klar gewesen, dass er niemals alle schnappen würde, dass die Welt nicht vollkommen
     war. Aber in zehnjähriger Berufserfahrung hatte er feststellen müssen, dass die Welt doch weiter von der Vollkommenheit entfernt
     war, als er geglaubt hatte.

|81| Vierzehn
    Marietto Risso
    Camogli, heute
     
    Marina kam pünktlich, wie jeden Sonntag. Sie war ein junges, hübsches Mädchen, auch wenn sie nicht viel aus sich machte. Mit
     ihren niedrigen Absätzen, den grauen Pullovern, der Leserattenbrille und dem hausbackenen Schnitt ihrer schwarzen Haare würde
     sie weder an der Universität noch am Arbeitsplatz den Sprung in die entscheidenden Kreise schaffen. In einem Heim dagegen,
     das nur Schwestern und Senioren beherbergte, löste ihr Erscheinen jedes Mal eine Woge der Lebensfreude aus. Und wenn die Bewohner
     sie zum Lachen brachten, wenn ihr Schutzwall fiel und sie ihre Schüchternheit ablegte, dann erstrahlte ihr ganzes Gesicht,
     und sie wurde fast ein anderer Mensch, schön und selbstsicher.
    Für Marietto war sie eine späte Entdeckung, aber seit sie einander begegnet waren, erfüllte sie tatsächlich sein Leben. Und
     nicht nur seines. Auch diesmal holte Gaetano, kaum war das Mädchen ins Zimmer getreten, tief Luft, dann setzte er sich an
     den Tisch und bot ihr einen Platz auf seinem Bett an. Er hoffte, er würde dort später noch eine Spur von ihrem dezenten Parfum
     finden.
    »Und, Onkel Mario, wie fühlst du dich heute? Schwester Pilar hat mir gesagt, dass es dir nicht gutging«, sagte sie, während
     sie Schal und Mantel ablegte.
    Er betrachtete sie aufmerksam, mit merkwürdiger Miene.
    »Was ist los, Onkel?«
    Marietto fixierte weiter das Gesicht des Mädchens, als würde er sie nicht erkennen. Sie bemerkte, dass er abgemagert war.
    |82| »Ich bin es. Marina. Was hast du denn?«
    »Nichts, nichts«, sagte er. Marina. Die Tochter seines Bruders Piero. Die Tochter der Sünde.
    »Hast du noch Fieber, Onkel?«
    »Mir geht es bestens«, sagte er verärgert. »Ich sag das denen dauernd, dass es mir bestens geht, aber sie hören nicht auf
     mich. Die wollen mich nicht einmal vor die Haustür lassen.«
    »Du musst dich gedulden. Draußen ist es außerdem dermaßen kalt … fühl mal«, sagte sie und legte eine Hand auf die seinen.
     »Die Sonne scheint zwar, aber es geht ein eiskalter Wind, vor dem sollte man sich hüten.«
    »Mir tut die Luft gut«, brummte er. »Ich habe jahrelang im offenen Meer gefischt, bei Wind und Wetter, und ich hatte nie auch
     nur einen Schnupfen.«
    Sie lächelte. »Du bist jetzt aber kein Jungspund mehr, Onkel. Du musst ein bisschen aufpassen. Also, erzähl mal, wie war’s
     zu Weihnachten?«
    »Weihnachten? Davon habe ich gar nichts mitgekriegt. Ich war hier eingesperrt, habe auf die Faschisten gewartet. Oh, ich weiß,
     dass sie mich gefunden haben. Die warten nur darauf, dass ich herauskomme, das ist der Grund, warum ich es noch nicht getan
     habe. Ich würde mich doch sonst nicht von einer

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