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Keine Pizza für Commissario Luciani

Titel: Keine Pizza für Commissario Luciani Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Paglieri
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hatte, zu renovieren und seine Versetzung zu beantragen.
     Aber dann war sein Vater gestorben, und er brachte es nicht mehr über sich, so weit wegzuziehen und seine Mutter ganz allein
     zu lassen.
    Ausreden. Nichts als Ausreden. Weil er sich vor einer Entscheidung drücken wollte und lieber die Zeit an seiner Stelle entscheiden
     ließ. Die Wahrheit war, dass er allein nicht den Mut hatte, seinem Leben eine andere Richtung zu geben.
    Er ließ sich zum letzten Mal in das durchgesessene Sofa fallen, vor die abgeblätterte Wand, stellte den iPod an und schloss die Augen. Filippo Gattis Stimme war der beste Abschiedsgruß aus dieser Wohnung.
    Alles wird sich ändern
    Ein Körper ist gar nicht schlecht
    Für das, was mir gehört
    Im Baum der Samen
    Im Wassertropfen das Meer
    Im Wassertropfen das Meer Alles wird sich ändern
    Denk dran, dir niemals zu nehmen
    Was du nicht lassen kannst
    Was du nicht lassen kannst
    Er hörte das Lied zu Ende, dann nahm er die Tüten und rannte fast aus der Wohnung, ohne sich umzudrehen, ohne an all das zu
     denken, womit er jetzt, auf der Türschwelle, abschloss. Das schäbige Appartement, in dem er die letzten Jahre gelebt hatte,
     war ganz allmählich in sich zusammengefallen, genau wie sein Leben. Und auch Letzteres hatte eine Kernsanierung nötig.
     
    In solch trübe Gedanken versunken, wanderte Commissario Luciani ziellos durch die Gassen der Altstadt, als müsste |89| er für immer von ihnen Abschied nehmen. Gewöhnlich rannte er mit Scheuklappen hindurch, unempfänglich für die Häuser, die
     Geschäfte und die Gesichter der Menschen, aber diesmal verzögerten seine langen Beine den Schritt, sie schweiften immer wieder
     ab, wandten sich einem Schieferportal zu, oder sie hielten vor einem Telefonshop, wo Luciani sich fragte, was für ein Geschäft
     hier bis vor einer Woche gewesen sein mochte. Dreißig Jahre lang, um dann innerhalb weniger Tage zu verschwinden, ohne die
     geringste Spur in seinem Gedächtnis zu hinterlassen.
    Es war kalt, obwohl die Sonne schien. Vielleicht strahlte und glänzte die Straße deshalb so, und nicht nur wegen der bevorstehenden
     Feiertage. Die Ladenbesitzer schienen zu lächeln, ebenso die Afrikaner, die vor einer muslimischen Metzgerei warteten. Vor
     einem Hauseingang lungerten ein paar Südamerikaner herum, rauchten und pfiffen den Mädchen nach, die verärgert taten und den
     Schritt beschleunigten. Er kam an einem Fischgeschäft vorbei, wo mindestens zehn Leute anstanden und in Genueser Dialekt darüber
     debattierten, wie man am besten Bonito, Makrele und Blaubarsch zubereitete. Wenn das Leben immer so wäre, dachte Marco Luciani,
     wenn man diesen magischen Augenblick einfrieren und ihn unendlich oft wiederholen könnte, wie in »Und täglich grüßt das Murmeltier«,
     ein kleiner perfekter Tag, eine Multikulti-Altstadt, in der die Experimentierphase endlich abgeschlossen war und jeder seinen
     Platz gefunden hatte.
    Er musste zugeben, dass es ihm, der er diese Gassen tausendmal verflucht hatte, nun leidtat, sie zu verlassen, ihm war, als
     verließe er den Schützengraben im alles entscheidenden Augenblick, von dem das Schicksal eines Viertels oder einer ganzen
     Stadt abhing. Niederlagen hatte er aber inzwischen reichlich eingesteckt, und wie diese Schlacht hier ausgehen würde, das
     konnte man sich leicht |90| ausmalen. Er ging weiter durch die Via del Campo, mit all den schönen restaurierten Häusern, die man den Immigranten überlassen
     hatte. Er dachte an »Superciuk«, den Müllmann, der die Armen bestahl, um den Reichen zu geben, weil die Reichen keinen Dreck
     machten. Und er dachte an das Abenteuer, in dem Superciuk seine Strategie ändert, einem Bauunternehmer zwei komplette Wolkenkratzer
     klaut und sie Obdachlosen schenkt, die sie im Handumdrehen in einen Saustall verwandeln.
    Er passierte die Via Fossatello, schob sich in die Maddalena und fand sich im vertrauten Ambiente wieder, Dutzende geschlossene
     Metallrollos, Dutzende schwarzafrikanische und marokkanische Prostituierte, die aus den Hauseingängen hervorlugten, Angestellte
     und Rentner, die sich umsahen, als würden sie einen bestimmten Laden suchen, während sie in Wahrheit nur auf ihre Lieblingshure
     warteten.
    Ich bin einfach nur niedergeschlagen, weil das Jahr zu Ende geht, sagte er sich und beschleunigte den Schritt Richtung Piazza
     De Ferrari, wo er endlich wieder ein Stück offenen Himmels sehen würde. Und weil ich in den letzten sechs Monaten zu viel
    

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