Keine Pizza für Commissario Luciani
anzunehmen, und zwar mit eigenen Mitteln, jetzt gehen alle an die Decke und
protestieren, als wollte man uns etwas wegnehmen. In diesem Land ist nur wichtig, dass man Taten ankündigt. Aber wehe dem,
der wirklich etwas anpackt«, schloss Ludovico Ranieri mit festem Blick in die Kamera. Mach genau so weiter, sagte er sich,
die Hände nur langsam bewegen, und nicht auf den Monitor schauen!
Giada Focesi, die Schattenministerin der Opposition, schüttelte den Kopf und lächelte süffisant: »Wenn die Kulturgüter des
Landes an Privatleute verschleudert werden, dann ist das ein höchst gefährliches Zeichen. Ich weiß, dass die zur Verfügung
stehenden Ressourcen begrenzt sind, aber dann muss man eben neue auftun. Die Schätze der Vergangenheit müssen in Italien bleiben
und allen Italienern zugänglich sein.«
»Genau dafür sorgen wir«, erwiderte Ranieri, »das Zuchthaus wird in neuem Glanz erstrahlen, zum Nulltarif für den Staat, und
mit den anderen bedeutenden Stätten auf der Insel wird dasselbe passieren. Ich weiß sehr gut, welchen Wert unsere Kunstschätze
und Antiquitäten haben, so gut, dass wir zum Beispiel in dem neuen Gesetzentwurf, der meinen Namen trägt, eine angemessenere
Belohnung für diejenigen vorsehen, die ein bedeutendes Kunstwerk finden. Die Ausgleichszahlungen sind heute jämmerlich und
für die Leute eher eine Ermunterung, einen wertvollen Fund zu vertuschen oder Schätze, die eigentlich in unsere Museen gehören,
womöglich ins Ausland zu verkaufen. Wir wollen nicht, dass sich so ein schmerzhafter Verlust wie bei der Venus von Morgantina
oder dem Streitwagen von |78| Monteleone di Spoleto wiederholt. Von jetzt an werden wir, wenn es sich bei einem Fundstück um ein Meisterwerk handelt, dem
Finder den Marktwert bezahlen und es für uns behalten. Wenn das Werk nur einen begrenzten, keinen herausragenden Wert hat,
dann werden wir dem Finder die Möglichkeit einräumen, es zu einem Vorzugspreis zu kaufen. Er kann es dann behalten oder weiterverkaufen,
auch ins Ausland, ohne dass er fürchten muss, nach dreißig oder vierzig Jahren von irgendjemandem zur Rechenschaft gezogen
zu werden, so wie es jetzt geschieht. Wir haben in Italien bereits Hunderte Museen. Es hat keinen Sinn, alles zu behalten,
allem den Staatsstempel aufzuprägen, um es dann in irgendeinem Depot verrotten zu lassen. Meine Idee ist, viele kleine Dinge
zu verkaufen, nicht zu verschleudern, damit wir uns die wenigen echten Schmuckstücke leisten können.«
»Aber die Insel Santo Stefano ist ein Schmuckstück«, schaltete sich die Schattenministerin ein, »und das Gebäude des alten
Zuchthauses ein nationales Denkmal. Es ist das Gefängnis Pertinis, ein Symbol des Antifaschismus. Genau das Objekt, das mit
öffentlichen Geldern restauriert und allen Bürgern zugänglich gemacht werden sollte. Wenn man es dagegen einem Privatmann
überlässt, der daraus ein Luxushotel oder sonst was macht …«
Ranieri unterbrach sie: »Schauen Sie, diese Geschichte mit dem Luxushotel, ich weiß nicht, wer die aus dem Hut gezaubert hat.
Wir haben sie schon tausendmal dementiert, und immer wieder wird sie aufs Tapet gebracht. Wenn Sie es genau wissen wollen,
ich würde vorschlagen, dass das Gefängnis von Santo Stefano wieder das wird, was es immer war: ein Zuchthaus. Restauriert
und reformiert. Ein Vorzeigeprojekt. Unsere Gefängnisse platzen aus allen Nähten, und wir müssen neue bauen.«
»Die Gefängnisse platzen aus allen Nähten, weil sie voll |79| armer Schlucker sind«, fuhr Vito Anzalone hoch, ein Richter, der Senator geworden war und sich dann wieder dem Richteramt
zugewandt hatte, solange er darauf wartete, dass man ihn irgendwann wieder auf irgendeine Liste setzen würde, »während die
wahren Verbrecher, die in Schlips und Kragen, draußen sind.«
Ranieri wurde laut: »Wer tatsächlich draußen frei herumläuft, das sind Mörder, Vergewaltiger und Trunkenbolde, die ins Auto
steigen und die Leute auf der Straße totfahren. Die Einzigen, die in Haft bleiben, sind Verdächtige, die nicht gestehen wollen.
Wer euch dagegen erzählt, was ihr hören wollt, den lasst ihr gleich wieder laufen. Die Richter meinen, ihre Aufgabe beschränke
sich darauf, die Wahrheit festzustellen, und sobald diese Wahrheit geklärt ist, sind sie zufrieden, mehr interessiert sie
nicht, die Bestrafung ist für sie inzwischen nutzloses und langweiliges Beiwerk. Das ist in unserem Land das größte Übel.
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