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Keine Pizza für Commissario Luciani

Titel: Keine Pizza für Commissario Luciani Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Paglieri
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irgendeinen Namen zutage förderten. Bevor der Rektor hinausposaunte, dass er die Statue gefunden hatte,
     wollte er sicher sein, dass es keine Zeugen mehr gab, die ihn widerlegen konnten.
    Er schloss die Augen und massierte sie leicht, nachdem er den Transport des Rollfilms gestoppt hatte. Diese Mikrofilmtechnik
     war eine schnelle und praktische Methode, Zeitungen zu überfliegen, aber nach einer gewissen Zeit wurde einem übel davon.
     Er verließ den Lesesaal und ging hinaus in den Hof, um sich eine Zigarette anzuzünden. Auf den Bänken saßen viele Studentinnen,
     die plauderten und rauchten. Einige senkten die Stimme, als sie ihn sahen, andere lächelten. Er grüßte eine Deutschlektorin,
     die seit zwei Jahren eine Beziehung mit einem verheirateten Kollegen unterhielt, und zum x-ten Mal landete er in Gedanken |116| bei Sabrina, bei ihrem Verhältnis, bei der Unverschämtheit, mit der sie ihn benutzt hatte, und wie er sich sehenden Auges
     hatte benutzen lassen.
     
    Als Sabrina Dongo fünf Jahre zuvor sein Büro betreten hatte, erleuchtete sich Ludovicos Geist wie damals, als er zum ersten
     Mal die Olympischen Spiele im Farbfernsehen gesehen hatte. Er wusste heute noch, wie sie angezogen war: Stiefel, enger Rock,
     weiße Bluse. Der Professor liebte die Frauen, und er tat es wie ein echter Kunstkritiker: Das Zusammenspiel von Form und Inhalt
     war entscheidend für sein ästhetisches Urteil. Form hieß in diesem Fall: Kleidung, Frisur, Gang und Stimme, der Inhalt waren
     das Fleisch, die Kurven und der Blick. Tiefer sollte man gar nicht dringen. Eine Frau auf der Grundlage ihrer Gefühle oder
     ihrer Intelligenz zu beurteilen, das war, als wolle man das Werk eines Malers auf der Grundlage seiner politischen Überzeugungen
     oder sexuellen Vorlieben beurteilen: absurd. Schönheit musste man genießen, nichts weiter. Die Schönheit war die Antwort auf
     alle Fragen. Es war die Venus, nicht Minerva oder Juno, der der Mann immer den Apfel schenken würde.
    Sabrina hatte seine Veranstaltungen nicht besucht, aber darum gebeten, dass er ihre Magisterarbeit betreute. Und als Ludovico
     darauf hinwies, dass sie mindestens eine Prüfung bei ihm machen musste, sagte sie lächelnd: »Kein Problem, der unterziehe
     ich mich gern.«
    Der Blick, den sie ihm dabei zugeworfen hatte, ließ ihn sofort in Wallung geraten.
    Sie hatten sich auf ein simples Diplomthema geeinigt. Den Abschluss brauchte sie nur, um ein Versprechen an ihren Vater zu
     halten. Ihre Ambitionen waren andere. Sie war nicht scharf auf einen Sekretärinnenjob für tausend Euro im Monat, sie wusste,
     dass sie noch andere Trümpfe in |117| der Hand hatte, und die wollte sie am richtigen Tisch ausspielen. In diesem Moment war der richtige Tisch der Schreibtisch
     von Ludovico Ranieri.
    Anfangs hatte er versucht, sie selbständig arbeiten zu lassen, aber das Ergebnis war ernüchternd gewesen. Das Mädchen war
     eher verschlagen als intelligent, es hatte Intuition, konnte Zusammenhänge aber nicht rational durchdringen. Ludovico widmete
     ihr immer mehr Zeit, führte sie an der Hand in die Archive, erklärte ihr, wie sie vorgehen musste, und schließlich hatte er
     sie, in einer Woche, in der seine Frau mit den Kindern in die Berge gefahren und er wegen der sommerlichen Prüfungstermine
     in der Stadt geblieben war, heimlich nach Ventotene gebracht. Am nächsten Morgen waren die Kräfteverhältnisse auf den Kopf
     gestellt, und nicht zu seinen Gunsten. Er hatte bekommen, was er wollte, aber nur um festzustellen, dass er ohne ihren Duft
     nicht mehr sein konnte, ohne die Art, wie sie sich seinem Mund hingegeben, wie sie ihre Beine um seine Taille geklammert hatte,
     während sie ihn zum Höhepunkt trieb. Wie sie gemeinsam, auf wunderbare Weise, gekommen waren.
    Er brauchte sechs Monate, um ihre Magisterarbeit zu schreiben, denn er fürchtete, dass sie sich, sobald sie hatte, was sie
     wollte, nicht mehr blicken lassen würde. In Wahrheit hatte die Arbeit ihn nur sechs Tage gekostet, so lange hatte es gedauert,
     im Archiv eine fünfundzwanzig Jahre alte Diplomarbeit über ein einfaches Thema zu finden, das seither nicht mehr behandelt
     worden war. Er hatte am Computer die Kapitelfolge und ein paar Passagen umgestellt, hatte manches umformuliert und die Bibliographie
     aktualisiert. Jede Minute dieser langweiligen Beschäftigung war voll vergolten worden.
    Auch an den Morgen der Verteidigung konnte er sich bestens erinnern. Sabrina war geistreich, sie

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