Keine Pizza für Commissario Luciani
fraglichen
Gebiet könne eine Leiche etwa 15 bis 20 Kilometer am Tag zurücklegen, was bedeutete, dass Marietto, wenn er zwischen 24 und
36 Stunden im Wasser gewesen war, auch auf der Höhe von Sestri Levante ins Meer gestürzt sein konnte. Aber natürlich hing
das alles von den Strömungen und dem Wellengang ab. Dann rief er die Wetterwacht an und ließ sich die Daten für Ligurien zum
28., 29. und 30. Dezember schicken. In der Nacht vom 29. auf den 30. hatte es Seestärke vier gegeben, das bedeutete, die Dünung
hatte den Strand so weit überspült, dass sie einen wehrlosen Körper hätte fortschwemmen können.
Nach der Auskunft vom Wetteramt rief er Inspektor Valerio an, seinen Freund in Rom.
»Ciao, Vale, wie läuft’s? Neuigkeiten zu dem Mädchen?«
»Hey, Meister Lucio. Hier ist die Kacke am Dampfen. Die Richterin hat gerade den Neger rausgelassen. Meint, wir hätten keine
Beweise. Beweise wofür denn, frage ich da nur. Dass du ’ne Arschgeige bist? Der war in ihrer Wohnung und hat mehr Spuren hinterlassen
als eine Wildschweinherde, wovon labert die eigentlich?«
»Wo liegt denn das Problem?«
|135| »Das Problem ist, dass diese Schlampe von Richterin es sich von dem Neger besorgen lassen will, das sage ich dir. Die weiß
nicht, dass der ’ne Schwuchtel ist.«
»Komm, wenn er schwul ist, warum hätte er sie dann umbringen sollen?«
»Weil er es nicht gebracht hat, sie richtig zu pimpern, und er wollte nicht, dass sie das in der Gegend herumposaunt.«
Das sagte alles: Marco Luciani wusste jetzt, dass sie in Wahrheit nichts in der Hand hatten, weder die Tatwaffe noch das Motiv.
Theoretisch hatte der Kerl Zeit und Gelegenheit gehabt, sie zu töten, aber wenn man weder die Umstände noch die Beweggründe
kannte, konnte man ihn kaum in Haftverwahrung lassen.
Valerio wetterte weiter gegen die Richterin: »Die fragt mich: ›Wo ist die Tatwaffe?‹ Ja Scheiße noch eins, was weiß ich, wo
er die hinhat? Der hatte Zeit genug, sie auf den Mond zu schießen. Und was soll ich da machen? Mich aufs Fahrrad setzen und
zum Mond fahren?«
»Und das Motiv?«
»Und das Motiv, das wird er schon wissen, nicht ich. Ist doch verdammt noch mal seine Sache, warum er sie gekillt hat, das
soll
er
uns mal sagen.«
»Okay, Vale, wenn es mal bei der Polizei nicht mehr so gut läuft für dich, dann sehe ich für dich eine große Zukunft als Untersuchungsrichter«,
lachte Marco Luciani.
»Scheiß drauf, und ob es hier gut läuft für mich. Aus meiner Sicht funktioniert die Sache so: Du warst am Tatort, ich hab
dich erwischt und eingebuchtet, und wenn du jetzt wieder rauswillst, dann erzählst du mir alles von A bis Z. Nicht, dass ich
mir jetzt auch noch ’ne Geschichte ausdenken muss, und wenn sie irgendwo hakt, bist du aus dem Schneider!«
»Hör mal, was sagt denn der Obduktionsbericht?«
»Dass das Mädchen schwanger war.«
|136| »Au weh! Das ist ein sauberes Motiv.«
»Wohl. Nur für wen? Bei der war so oft Stoßzeit wie auf der Ringautobahn.«
»Und weiter?«
»Weiter ist diese Pistole komisch. Ein altes Schießeisen. Zumindest den Kugeln nach zu urteilen. Kaliber 7,63: Schrott, vielleicht
noch aus dem Zweiten Weltkrieg. Dieser Hungerleider, der hat sich noch nicht mal ’ne anständige Knarre besorgt.«
Marco Luciani schwieg.
»Hör mal«, sagte er nach einer Weile, »würdest du mir ein paar Bilder von dem Mädchen schicken? Von vor ihrem Tod, meine ich.«
»Wozu brauchst du die denn? Für Reibeschwänzchen?«
»Nein, nur aus Neugierde.«
Er saß im Selbstbedienungsrestaurant in der Nähe der Dienststelle, als plötzlich Livasi mit einem voll beladenen Tablett vor
ihm stand.
»Chef. Ich wollte gerade einen Happen essen. Stört dich doch nicht, wenn ich mich setze, oder?«
»Natürlich«, sagte Marco Luciani, womit er eigentlich meinte, dass es ihn natürlich störte, aber Livasi verstand das Gegenteil
und setzte sich.
Verblüfft betrachtete der Vizekommissar Lucianis Tablett, auf dem sich ein kleiner Salat, ein genauso kleiner Obstsalat, eine
Flasche Mineralwasser und ein Brötchen befanden. Auf seinem standen Pasta Bolognese, Braten mit Soße, Ofenkartoffeln, ein
Stück Schokoladentorte und eine große Cola.
»Machst du ’ne Diät, Chef?«
»Ich esse grundsätzlich wenig, in letzter Zeit aber noch weniger. Ich war bei einer Wunderheilerin, und die meinte, ich solle
mich auch bei Pasta und Brot zurückhalten.«
|137| »Ach so, die
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