Keine Pizza für Commissario Luciani
fragen, was sie denn einbringen würde, wenn der |240| Kopf dran wäre. So erfährst du, wie viel sie tatsächlich wert ist.« Der Bootsführer schwieg und überlegte. »Man merkt, dass
ihr Genueser die geborenen Geschäftemacher seid. Dann machen wir es so: Wir vergraben die beiden Teile an zwei verschiedenen
Orten. Du kannst an Bord bleiben.«
»In Ordnung. Aber wie soll ich dann die Statue bewachen, wenn ich nicht weiß, wo sie ist?«
»Wir werden dir grob die Stelle sagen«, sagte der Bootsführer lapidar. Dann wandte er sich an die anderen: »Also, wir trennen
uns. Ich gehe den Kopf vergraben. Ihr zwei, mit dem Kalabreser und Tarantino, den Körper.« Der Kopf war der einzige Teil,
den jemand allein hätte wegtragen können, und in dieser Hinsicht traute er nur sich selbst. »So könnt ihr sicher sein, dass
ich euch nicht reinlegen kann.«
»Aber so wissen wir nicht, wenn dir etwas zustößt, wo der Kopf ist«, wandte der Kalabreser ein. Der Bootsführer dachte kurz
nach. »Richtig. Also sorgt dafür, dass mir nichts zustößt.«
Der Genueser sagte, er würde das kleine Schleppnetz auswerfen und versuchen, wenigstens ein bisschen Fisch zu fangen. Gerade
die Tatsache, dass sie wenig gefangen hatten, konnten sie als Rechtfertigung für ihre späte Rückkehr anführen.
Als er das Netz ein paar Stunden später wieder einholte, sah er, dass er einen guten Fang gemacht hatte. Sardinen, Meeräschen,
Brandbrassen. Und fünf schöne Seebarsche, dachte er mit befriedigtem Lächeln.
Die Kollegen kamen wenig später. Sie waren verschwitzt und gereizt, aber zufrieden, dass die Arbeit getan war. Sie stiegen
wieder an Bord, und der Genueser ging an Land, im Quersack vier lebende Fische, die verzweifelt nach Luft schnappten.
»Also, worauf soll ich achtgeben?«
|241| »Du musst die Gegend zwischen Friedhof und Gefängnis im Auge behalten«, sagte der Bootsführer, »die genaue Stelle brauchst
du nicht zu kennen, pass nur auf, dass nicht irgendein Schlaumeier auftaucht. Falls doch, hast du dein Messer?«
Der Genueser nickte. Sie überließen ihm die gesamten Süßwasservorräte, denn auf der Insel gab es keine Quelle.
»Spätestens in drei Tagen hole ich dich wieder ab, dann werde ich jemanden aus Rom dabeihaben.«
»Wenn du es nicht schaffst, dann denkt dran, mir noch einmal Wasser zu bringen.«
Er sah sie ablegen und fragte sich, ob er die richtige Wahl getroffen hatte. Aber genau genommen hatte er gar keine Wahl gehabt.
Er allein gegen fünf, ihm blieb nichts anderes übrig, als zu gehorchen und auf seinen Moment zu warten. Er spürte, dass er
die Göttin gegen ihre Gier schützen musste, er spürte, dass sie den Fluten nicht entstiegen war, um ungebildete Fischer reich
zu machen und nach Amerika verfrachtet zu werden, sondern um den Menschen eine Botschaft zu bringen. Er hob den Blick und
sah über sich die gewaltige Silhouette des Gefängnisses, in dem er fünf lange Jahre verbracht hatte.
|242| Neununddreißig
Ranieri
Rom, heute
»Sensationeller Fund auf der Insel Santo Stefano: Mitarbeiter der Luxemburger Gesellschaft Wilhelmina, die vor wenigen Monaten
die Insel gekauft hat, haben eine antike Bronzestatue ans Tageslicht befördert. Der Statue, die einen Frauenkörper darstellt,
fehlt der Kopf. Wie jedoch aus anonymer Quelle aus dem Umfeld der Gesellschaft, die sie aus der Nähe prüfen konnte, zu erfahren
war, könnte es sich um ein Werk von unschätzbarem Wert handeln, in ihrer Bedeutung nur mit den Bronzen von Riace vergleichbar.
Bis dato sind keine Bilder des Fundstückes publik geworden. Aus Sicherheitsgründen sind auch weder Zeitpunkt noch genaue Lage
des Fundes mitgeteilt worden, da die Restaurierungsarbeiten auf der Insel noch im Gange sind. Die Wilhelmina ist mit einer
Reihe von Ausgrabungen befasst, die das künstlerische und archäologische Erbe der Insel sichern sollen, zu dem unter anderem
die Reste der römischen Wehrmauern und die berühmte Vasca Giulia gehören, wo die Tochter von Kaiser Oktavian Augustus ihr
Bad zu nehmen pflegte. Bald wird die Firma auch die Restaurierung des alten ringförmigen Gefängnisses in Angriff nehmen, dessen
Erscheinung Santo Stefano prägt. Der neue Kulturminister Ludovico Ranieri wollte die Entdeckung weder kommentieren noch bestätigen.
Er verwies lediglich auf ein offizielles Pressekommuniqué, das in Kürze verbreitet werden soll. Dass der Fund wenige Monate
nach dem Verkauf der Insel gemacht wurde,
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