Keine Pizza für Commissario Luciani
Gegend herumposaunst?«
Der Genueser betrachtete ihn verblüfft und verächtlich, als ob allein der Verdacht, er könnte reden, unvorstellbar wäre. Und
das war er auch, wie im Grunde ihres Herzens alle wussten.
»Ich gehe sparsam mit Worten um. Und ich kann auch dann noch die Klappe halten, wenn ich ein Glas zu viel getrunken habe.«
Die Anspielung war deutlich, der Tarantino hatte Misstrauen gegenüber dem Gefährten säen wollen, und nun stand er plötzlich
selbst unter Verdacht. Jeder wusste, dass er gern trank und spielte. Und dass er ab dem fünften Glas sein Mundwerk nicht mehr
unter Kontrolle hatte.
Er warf das Holzstück weg und stand auf, in der Hand das Messer. »Du warst ein Bulle und bist es immer geblieben«, knurrte
er. Blitzschnell griff der andere den Thunfischhaken, den er schon eine Weile im Auge hatte, und |238| winkte ihm, er solle nur näher kommen. Der Bootsführer sah die Szene deutlich vor sich: Erst taxierten sich die Gegner, dann
kamen die ersten Hiebe, die zunächst ins Leere gingen, dann die erste Wunde. Der Schmerz, die blinde Wut, ein Mann am Boden,
verletzt oder womöglich tot, der andere mit Schrammen. Das Einlaufen in den Hafen, die Fragen, die Carabinieri, die Nachforschungen.
Und die Statue im Stauraum des Kutters.
»Halt!«, schrie er, ehe es zu spät war. »Halt! Ich will nicht wegen euch zwei Hitzköpfen alles verlieren.« Die beiden schauten
sich weiter herausfordernd an, keiner ließ seine Waffe los. Der Grund der Auseinandersetzung war nicht ausgeräumt, und nun
musste der Bootsführer die Verantwortung für einen Schiedsspruch übernehmen, der keinen der beiden verdross.
»Was mich betrifft«, sagte er schließlich, »ich traue dem Genueser. Mittlerweile kennen wir ihn, wir wissen, dass er kein
Verräter ist. Er hat keine Ahnung von dieser Geschichte, er hat nichts gesehen und wird nicht reden. Aber der Tarantino hat
recht, wenn du jetzt aussteigst, kannst du nicht auf unserem Boot bleiben. Ich werde dir noch heute deinen Lohn ausbezahlen,
und damit ist die Sache geregelt.«
Sein Gegenüber nickte. Er war einverstanden.
Der Tarantino brauchte länger, aber unter dem herrischen Blick des Bootsführers nickte schließlich auch er. »Das ist hier
nicht der Ort und nicht der richtige Zeitpunkt«, sagte er, »aber wir zwei sprechen uns noch.«
»Wann du willst«, sagte der Genueser mit einem Achselzucken und legte den Stahlhaken weg. Es folgte ein langes Schweigen,
dann hörte man die Stimme des Kalabresers.
»Wer bewacht die Statue?«
Der Bootsführer schaute ihn verblüfft an, dann verstand er, was der Maschinist sagen wollte. Er fürchtete nicht, dass ein
Unbekannter sie finden, sondern dass einer von ihnen |239| zurückkommen und sie holen könnte. Man sitzt nur gemeinsam in einem Boot, solange man auf dem Wasser ist.
»Der Genueser wird hierbleiben«, sagte er.
»Was?!«, platzte der Tarantino heraus.
»Er hat keine Familie, und niemand wartet zu Hause auf ihn. Niemand wird Fragen stellen, wenn man ihn nicht zurückkommen sieht.
Außerdem können wir so sicher sein, dass er mit niemandem redet. Und wenn etwas schiefgeht, kann er behaupten, dass er gar
nicht auf dem Boot war.« Er schwieg einen Augenblick, zufrieden mit seiner Lösung. »Wir sind uns einig«, sagte er, ohne die
Meinung der anderen abzuwarten.
Sie fuhren auf die Rückseite der Insel Santo Stefano und liefen in den Porticciolo ein. Er war als Anlegestelle nicht so bequem
wie die Marinella, aber hier war die Gefahr geringer, dass man sie sah. Schwitzend und stöhnend schleppten sie die Statue
aufs Festland, aber als sie sie ablegten, brach der vom Muschelfraß angegriffene Hals. Kopf und Rumpf waren in zwei Teile
zerbrochen.
Über fünf Minuten lang spie der Bootsführer Gift und Galle und deckte seine Mannschaft mit Beschimpfungen ein. Er verwünschte
sein Pech, bis der Genueser sich in aller Ruhe eine Zigarette ansteckte und ihn beschwichtigte.
»Vielleicht schadet es nicht, dass sie zerbrochen ist.«
»Was soll das denn heißen?«
»Das soll heißen, dass wir nicht recht wissen, was so ein Ding wert ist. Wenn dieser Antiquitätenhändler aus Rom kommt und
dir einen Betrag nennt, kannst du zwar ein bisschen feilschen, aber am Ende musst du einschlagen. So dagegen könntest du ihm
nur die Statue ohne Kopf zeigen und einen Preis aushandeln. Er wird eine niedrige Summe nennen, sich beschweren, dass sie
unvollständig ist, und du wirst ihn
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