Keine Schokolade ist auch keine Loesung
ganzen Botox, das sie sich hat spritzen lassen, überhaupt bewegen kann. »Wie wunderbar, dass du kommen konntest. Es tut mir sehr leid, dass es unter so schrecklichen Umständen sein musste. War es sehr schlimm?«
Mrs. Cartwright schlingt genau wie Jessica vorhin die Arme um mich, nur dass sie, wenn das überhaupt möglich ist, noch knochiger ist. Hatte ich bei Jessica das Gefühl, eine magere Katze zu umarmen, dann habe ich bei Mrs. Cartwright das Gefühl, das Skelett einer Katze zu umarmen.
Ich blicke über ihre Schulter zu Cooper, der sich zum Spaß schüttelt, um mich aufzuheitern. Jessica, die neben mir steht, bemerkt die Faxen ihres Bruders und stößt ein Wiehern aus.
»Ja, ziemlich schlimm«, sage ich im Bemühen, Jessicas Lachen zu überspielen.
Mrs. Cartwright lässt mich los. »Das glaube ich«, sagt sie, und ihre blauen Augen – die denen von Cooper so ähnlich sind und doch wiederum so unähnlich – werden schmal und heften sich missbilligend auf Jessica. Natürlich ist ihr das Wiehern nicht entgangen. »Der arme Mann war erst letzte Woche noch hier bei uns im Haus, um von Tania und Jordan Aufnahmen für die Sendung zu machen. Nebenbei hat er versucht, mich als Privatinvestorin für irgendeinen schrecklichen Dokumentarfilm, den er über einen Mann in der Todeszelle machen wollte, zu gewinnen. Und jetzt ist er selbst tot.« Patricia legt die linke Hand auf ihr Herz, und ich kann nicht umhin, den großen Smaragdring an ihrem Finger wahrzunehmen. »›Jedermanns Tod macht mich ärmer, denn ich bin hineinverstrickt in die Menschenwelt. Und deshalb verlange nie zu wissen, wem die Stunde schlägt. Sie schlägt immer für dich.‹ F. Scott Fitzgerald. Ein ganz wundervoller Autor.«
»Tatsächlich stammt das Zitat von John Donne«, sagt Cooper und stellt sein Tablett ab. »Der hat ungefähr dreihundert Jahre vor Fitzgerald gelebt, aber wer zählt schon nach? Kann ich dir ein Glas Wasser einschenken, Mom? Oder einen Kaffee?«
»Sei nicht albern«, entgegnet Mrs. Cartwright. »Das Dinner wird in Kürze serviert. Wir sollten den Wein aufmachen. Heather, ich hoffe, es stört dich nicht, dass wir das Essen vom Palm kommen lassen. Nach diesen furchtbaren Neuigkeiten war hier niemandem nach Kochen zumute, geschweige denn nach Ausgehen. Natürlich liefert das Palm normalerweise nicht, aber der Besitzer macht für meinen Mann eine besondere Ausnahme, weil er weiß, wie sehr Grant die Steaks im Palm liebt, und weil er mit ihm privat eng befreundet ist.«
»Außerdem«, sagt Jessica und lässt die Eiswürfel in ihrem Glas klappern, »hat Mom dem Hauspersonal die ganze Woche freigegeben, weil wir eigentlich in den Hamptons sein sollten.«
Patricia Cartwright streckt gebieterisch ihrer kein Blatt vor den Mund nehmenden Tochter ihr leeres Martiniglas entgegen, ohne auch nur in deren Richtung zu sehen. Jessica, die die Botschaft versteht, nimmt ihr das Glas ab und geht hinüber zur Bar am Ende der Küchentheke, um ihrer Mutter einen neuen Drink zu mixen.
»Heather«, sagt Mrs. Cartwright und streckt die Hand aus, um mir eine Haarsträhne aus dem Gesicht zu streifen. »Es ist so lange her. Zu lange. Ich bedaure sehr, was zwischen dir und Jordan vorgefallen ist. Ich werde mich jetzt nicht näher über diese unerfreuliche Geschichte auslassen, außer dass ich sagen möchte, dass sie mich persönlich schwer getroffen hat. Ich hatte wirklich das Gefühl, eine Tochter verloren zu haben.«
Ich bemerke, dass Cooper sich im Hintergrund einen Drink macht. Er gibt Eis in ein Glas und greift nach der Wodkaflasche. Mit dem Grapefruitsaft hält er sich erst gar nicht auf.
»Vielen Dank, Mrs. Cartwright«, sage ich.
»Weißt du, Mom«, Jessica füllt einen silbernen Martini- Shaker mit Eis, »vielleicht hast du Heather als Tochter doch nicht verloren. Vielleicht wird dein anderer Sohn …«
Das Nächste, was ich sehe, ist, dass Cooper seine Schwester in den Schwitzkasten nimmt.
»Jessica und ich kümmern uns hier um die Drinks, Mom«, sagt er beiläufig, als wäre es für ihn nichts Ungewöhnliches, sich zu bewegen, während Jessicas Kopf in seiner Armbeuge eingeklemmt ist, »warum führst du Heather nicht schon mal raus auf die Terrasse zu Dad und den anderen?«
»Örgh«, sagt Jessica und versucht, sich freizuwinden. Ich sehe allerdings, dass ihre Not nicht allzu groß ist, weil sie den Shaker sorgfältig von sich wegstreckt und nicht einen Tropfen verschüttet.
»Ja, natürlich«, sagt Patricia Cartwright. Sie nimmt
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