Keine Schokolade ist auch keine Loesung
meinen Arm und dirigiert mich zu der deckenhohen Verandatür. »Du bist sicher gespannt darauf, die restliche Wohnung zu sehen, schließlich warst du seit dem Umbau nicht mehr hier. Wir haben Dominique Fabré damit beauftragt. Ist dir der Name ein Begriff? Er ist einfach ein großartiger Architekt. Natürlich war es nicht leicht, den Plan im Aufsichtsrat durchzubekommen. Meine Güte, wie weich deine Haut ist. Was für Produkte benutzt du, wenn du mir die Frage erlaubst?«
»Die Tränen heimwehkranker Studenten«, antworte ich ernst.
Mrs. Cartwright sieht ruckartig zu mir hoch – in meinen High Heels bin ich ein gutes Stück größer als sie.
»Oh, das war ein Scherz«, sagt sie. »Ich verstehe. Ja, du warst schon immer ein kluger Kopf, jetzt erinnere ich mich wieder. Ich habe mich damals oft gefragt, was du in Jordan gesehen hast, denn obwohl ich meinen Sohn von ganzem Herzen liebe, ist mir durchaus bewusst, dass er nicht das klügste meiner Kinder ist. Das wäre wohl Cooper, obwohl er zugleich die größte Enttäuschung seines Vaters ist. Mit seinem Talent und seiner Intelligenz hätte er alles werden können, aber er beschließt einfach, Privatdetektiv zu werden.« Sie stößt ein reumütiges Lachen aus. »Du solltest mal erleben, wie unser Bekanntenkreis reagiert, wenn wir das zu erklären versuchen. Was für eine Art von Mensch wird Privatdetektiv?«
Es ist eine müßige Frage, beiläufig dahingeworfen. Patricia zieht eine der Glastüren auf, und wir gehen auf die Terrasse hinaus. Ich bin mir sicher, sie erwartet keine Antwort, aber ich gebe ihr trotzdem eine.
»Ein Mensch, der seine Talente nutzen möchte, um anderen Menschen in Not zu helfen. Zu einer anderen Zeit nannte man das, glaube ich, einen Ritter in schimmernder Rüstung.«
Mrs. Cartwright wirft mir einen verwunderten Blick zu. »Ja«, sagt sie, und seltsamerweise klingen ihre Worte nicht länger beiläufig. »Dich hat er definitiv gerettet, nach allem, was ich gehört habe.«
»Ich weiß nicht, was Sie meinen«, sage ich und werde rot. »Ich schreibe nur seine Rechnungen.«
»Sicher«, erwidert sie mit katzengleichem Lächeln. »Seine Rechnungen. Warum auch nicht? Na gut, komm, damit du die anderen begrüßen kannst.«
Die Terrasse der Cartwrights ist um einiges breiter und länger als die der Allingtons. Auf dem Übungsgreen, das Grant Cartwright an einem Ende hat anlegen lassen, könnte problemlos ein Hubschrauber landen, und am Pool, auch wenn er nicht Olympiagröße hat, fänden genügend Victoria’s-Secret-Models Platz, um selbst einen Promi-Party-Veranstalter glücklich zu machen.
Die Mitglieder der Familie Cartwright, Tania inbe griffen, sitzen in luxuriös gepolsterten Lounge-Sesseln um einen Feuertisch, der auf niedriger Gasflamme brennt, weil es draußen noch so warm ist. Ich sehe, dass Mr. Cartwright geschäftig auf seinem Smartphone tippt und den wundervollen Sonnenuntergang völlig ignoriert, dafür widmet Jordan dem Farbenspektakel seine ganze Aufmerksamkeit. Tania hat sich nicht weit entfernt von Jordan auf einem Sessel zusammengerollt, mit Baby auf ihrem Schoß. Sie wirkt noch zerbrechlicher als bei unserer letzten Begegnung. Selbst von meinem momentanen Standort aus kann ich sehen, dass sie blass ist. Ihre Augen sind hinter einer dunklen Sonnenbrille verborgen.
Auf der anderen Seite der Feuerstelle klimpert eine junge Frau, in der ich Nicole wiedererkenne – zehn Jahre älter als bei unserer letzten Begegnung –, auf einer Gitarre. Sie hat nur bedingt Ähnlichkeit mit ihrer Zwillingsschwester. Ihr langes Haar hat dieselbe schokoladenbraune Farbe, aber es ist zu zwei Zöpfen geflochten. Sie ist völlig ungeschminkt und trägt statt silberner Armreifen perlenbesetzte Lederarmbänder. Nicole wiegt ungefähr fünfzig Pfund mehr als Jessica, und statt Schwarz trägt sie ein weißes Vintage-Kleid mit fröhlichem rotem Kirschmuster. Ihre Füße stecken in roten Ballerinas, auf ihrer Nase sitzt eine dicke schwarze Hornbrille.
»O Gott«, höre ich Patricia leise murmeln, als die Gitarrenklänge zu uns herüberwehen. »Nicht schon wieder.«
»Warum?«, frage ich. Ich neige den Kopf zur Seite, um mehr von der Musik zu hören. Es ist windig in der neunundzwanzigsten Etage. Ich halte vorsorglich meinen Rocksaum fest. »Das klingt doch toll.«
»Herrgott noch mal«, höre ich Jessica knurren, als sie von hinten zu uns aufschließt. Sie hält ihren Pink Greyhound in der einen Hand und den Martini für ihre Mutter in der anderen.
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