Keine wie sie (keine wie ...) (German Edition)
einschätzte und fast gelacht hätte –
fast
– schien dieser Junge das ganz und gar nicht lustig zu finden. „Was denn, hast du irgendein Besitzrecht auf den Rasen, oder was?“ Seine Stimme klang dunkel und ein wenig rau, der Blick zeugte von tiefster Verachtung. „Zieh die Flossen ein, damit andere nicht darüber fallen, einfache Sache! Oder kapierst du das nicht, weil du in Wahrheit blond bist und nur dein Haar gefärbt hast, um Verwirrung zu stiften?“
Viel zu verblüfft, um zu antworten, starrte Tina den zornigen Jungen mit offenem Mund an. Was ihr irgendwann einfiel, eignete sich nicht, um dessen hitziges Gemüt zu beruhigen. Deshalb tat sie am Ende, was sie seit Ewigkeiten nicht mehr getan hatte.
Sie
kicherte
. Wie die dümmste dumme Gans des Planeten!
Kaum ging ihr auf, welch verbotener Handlung sie sich soeben schuldig machte, wurde daraus ein Kicheranfall, der immer schlimmere Ausmaße annahm.
Nach einer Weile ließ er sich vor Tina im Gras nieder und beäugte sie argwöhnisch.
„Lachst du mich jetzt an oder aus?“
Dies war der Beginn von Ricardos und Tinas Freundschaft.
Viel zu lieb, um sie zu bedrängen, verbrachte er jedoch bald seine gesamte Freizeit ausschließlich mit ihr. Und er machte es ihr verdammt leicht, Daniel zu vergessen.
Fast.
Tina wusste durchaus, dass sie Ric ausnutzte, vielleicht sogar missbrauchte, doch sie konnte dem nicht Einhalt gebieten, denn er stellte ihre einzige Chance dar. Und so löste sie sich immer mehr von Daniel und hielt sich stattdessen an Ricardo. Intelligent und witzig, versuchte der
nicht
, irgendetwas an ihr zu verändern oder sie zu verbiegen. Nebenbei zeigte er ihr eine Welt, fernab von allem, was Geld kostete. Denn davon besaß er noch weniger als Tina.
Deshalb wurde es mit ihm trotzdem nie langweilig. Und da Ric sich von allem fernhielt, was auch nur annähernd mit 'Yuppies' und/oder 'Dollars' zu tun hatte, besuchte Tina auch nicht mehr das
PITY
. Auf dem Campus hielten sie sich abseits – wegen der widerlichen reichen Dandys, die hier in überwiegendem Maße vertreten waren. Und wenn sie Daniel doch einmal über den Weg lief (was sich auf die Dauer nicht vermeiden ließ), murmelte sie einen flüchtigen Gruß und floh. Weder fragte Daniel, noch versuchte er weiterhin, Tina auf irgendeine andere Weise zu manipulieren, stattdessen schien er mit ihrem Rückzug durchaus einverstanden zu sein.
* * *
Dass
sie mit diesem reichen Bastard zusammenwohnte, gefiel Ricardo keineswegs. Doch selbst er, dem sonst für beinahe jedes Problem eine verblüffend einfache Lösung einfiel, wusste zu diesem Thema nichts Verwertbares vorzuschlagen.
„Was ist das mit dir und diesem Grant?“, erkundigte er sich eines Tages argwöhnisch.
„Nichts“, versicherte Tina eilig. „Da läuft überhaupt nichts!“
Ihre Antwort kam wohl etwas zu hastig, denn sein Misstrauen verstärkte sich zusehends. Allerdings hakte er nicht nach.
Am Abend zuvor hatte es eine peinliche Begegnung im Wohnzimmer gegeben.
Daniel war mit seiner neusten Eroberung eingetreten und fand die beiden auf der Couch vor. Beim Fernsehen.
Das neue, inzwischen längst abgelegte Mädchen und Ric verhielten sich unspektakulär.
Sie grinste blöde, Ricardo behandelte die Neuankömmlinge wie Luft. Nur Daniel und Tina wussten offensichtlich nicht, wie sie mit der Situation umgehen sollten. Zu diesem Zeitpunkt herrschte zwischen ihnen seit ungefähr vier Wochen totale Funkstille. Beide mieden beharrlich den Blick zum jeweils anderen und flohen, sobald sich die Gelegenheit ergab.
* * *
Bald
konnte sie sich Ricardo aus ihrem Leben nicht mehr wegzudenken.
Problematisch wurde dabei nur, dass er sich in sie verliebte, während Tina nichts Derartiges für ihn empfand. Sie sah ihn wie einen Bruder. Manchmal fragte sie sich, ob die Konstellation zwischen ihnen ähnlich lag, wie bei Daniel und ihr.
Doch Tina
versuchte
, Rics Liebe zu erwidern, darauf verwendete sie sogar ernsthafte Anstrengungen. Konnte man nicht
lernen
, jemanden zu lieben? Sie
wollte
es, Tina hätte alles darum gegeben, dessen ungeachtet schlugen ihre Versuche leider fehl. Er war kein Draufgänger und hatte bestimmt keinen One-Night-Stand im Sinn. Wochenlang saßen sie reglos nebeneinander, gingen ins Kino und verbrachten die Pausen auf den Wiesen des Campus’ miteinander. Doch erst nach Ewigkeiten wagte er den ersten behutsamen Kuss. Und irgendwann, da ging der Mai bereits in den Juni über, entschied sie, es dennoch zu wagen. Immer öfter
Weitere Kostenlose Bücher