Keine Zeit für Vampire
wenden, damit Nikola hinter ihm lag. Zwischen den Bäumen tauchte der goldene Lichtschein einer Laterne auf.
Ich fuhr erschrocken zusammen und trieb das widerspenstige Pferd an. Ich hörte, wie Nikolas Körper mit dumpfen Geräuschen über den Waldboden, Holz und Steine rutschte. Anfangs scheute das Pferd in Anbetracht der seltsamen Last, die es ziehen sollte, doch schließlich folgte es mir einigermaßen fügsam.
Wir kamen gerade an zwei ineinander verschlungenen Fichten vorbei, als hinter uns ein wütender Schrei ertönte.
»Mist!« Fluchend packte ich den Zügel fester und rannte los. Ich betete, dass ich Nikolas Kopf sorgfältig genug eingepackt hatte, damit er nicht noch mehr verletzt wurde.
Zu dem Brüllen kam der Radau der beiden Männer, die nun hinter uns hereilten. Ich wich einer Fichte aus und überlegte dabei krampfhaft, wie ich die beiden abhängen könnte. Wenn ich Nikola noch lange so hinter mir herschleppte, würde er sicher erhebliche Verletzungen davontragen. Ohne Hilfe würde ich ihn jedoch niemals aufs Pferd bekommen. Ich umrundete einen weiteren Baum, und plötzlich fiel Mondlicht auf die Erde vor mir. Da sah ich es: eine undeutliche, wabernde Masse, die wie von Geisterhand über dem Mittelpunkt der Lichtung schwebte. Mein Herz machte vor Freude einen Sprung. »Mein wirbelndes Ding!«
»Du da! Hure! Bleib stehen!«
Hinter mir tauchte der dünnere von Nikolas Brüdern zwischen den Bäumen auf. Er hielt ein Schwert in der Hand. Er war noch etwa zehn Meter von uns entfernt, und selbst in den tanzenden Schatten, die die Äste warfen, konnte ich erkennen, dass er die Zähne gebleckt hatte und sein Gesicht zu einer bösartigen Grimasse verzerrt war.
Ich rannte auf das wirbelnde Ding zu, blieb direkt davor stehen, warf mich neben Nikolas Füßen zu Boden und versuchte verzweifelt, das Stück Stoff von seinen Knöcheln loszubinden. Doch durch sein Körpergewicht hatte sich der Knoten zu fest zugezogen, und ich bekam ihn nicht mehr auf.
»Ich hoffe inständig, dass die Echsenherrscher Verständnis für mich haben werden«, sagte ich zu Nikola, sprang auf, schnappte mir die Zügel und rannte direkt in das wabernde Licht hinein.
9
Die unglaublichen Abenteuer der Iolanthe Tennyson
15. Juli
Ein Geräusch weckte mich auf. Ein furchtbares, gurgelndes Geräusch, das immer lauter und unangenehmer wurde und mich aus meinen friedlichen Träumen riss.
Der Radau wurde immer lauter und nervenaufreibender, und dann wurde auch noch die wohlige Wärme, die mich umgab, mit einem Mal schwarz. Ich machte ein Auge auf. Das Gesicht eines etwas zerzausten Mannes schwebte direkt über mir.
Das Gesicht eines äußerst gut aussehenden Mannes mit schwarzen Haaren und wunderschönen Augen, blau wie Topase.
Er kam mir bekannt vor.
»Na, ich sollte dir allerdings bekannt vorkommen, denn schließlich hast du mich erst vor wenigen Stunden geritten. Warum zum Teufel wolltest du mich mit meinem eigenen Mantel erwürgen? Nur weil ich darauf bestanden habe, dass du mich verführen sollst und nicht andersherum? Oder war das eine ganz besondere Art des Vorspiels? Wenn ja, so muss ich dir sagen, dass mir so etwas nicht liegt. Ich bin ein gerechter Mann, ein großzügiger Mann, der nichts dagegen hat, seiner Geliebten zu gestatten, die Führung zu übernehmen, wenn sie dies wünscht, aber die Beschränkung meiner Sicht und Atmung empfinde ich in keiner Weise als erotisierend. Demzufolge wirst du auf derart rüde Liebesspiele zukünftig verzichten und mir wieder auf die althergebrachte Weise dein Fleisch darbieten.«
»Nikola?«, fragte ich. Langsam verzogen sich die Schatten aus meinem Hirn und ich sah klarer. Ich schlug auch das zweite Auge auf und fragte mich, was wohl passiert war. »Warum siehst du aus, als hätte dich jemand rückwärts durch eine Hecke gezogen? Warum ist dein Gesicht so rot?«
»Warum hast du meinen Kopf eingewickelt und mich an Thor gebunden?«, stellte er die Gegenfrage.
»Was?« Ich setzte mich auf, und sofort begann sich alles um mich herum zu drehen. Nikola packte schnell meine Arme und hielt mich fest, bis die Welt wieder stillstand. »Oh Mann, was habe ich denn gestern Abend getrunken? Ich habe den schlimmsten Durchhänger aller Zeiten.«
»Du wurdest nicht aufgehängt, allerdings würde es mir durchaus zustehen, dich zu erwürgen. Fühlst du dich besser?«
In seinem letzten Satz klang schon wieder aufrichtige Besorgnis mit. Mein Gehirn brauchte noch eine Minute, um alle Körperfunktionen
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