Keine Zeit für Vampire
zwischen den Bäumen hindurchschob. »Der Master war immer gut zu meinem Paps und mir. Warum sollte ich ihm da so übel mitspielen?«
»Aber genau aus diesem Grund haben wir doch dich gebeten, uns zu helfen, Ted. Uns geht es einzig und allein um das Wohlergehen des Barons«, antwortete eine ruppige Stimme mit deutschem Akzent. »Er ist schließlich unser Bruder! Glaubst du etwa, wir würden zulassen, dass ihm ein Leid geschieht? Imogen hat uns berichtet, dass diese Frau, die sich bei euch eingenistet hat, ihm durch Zauberei den Verstand verwirrt hat. Du musst uns helfen, ihn vor ihr zu retten.«
Imogen hatte das gesagt? Ihr Verrat traf mich schwer. Und ich hatte geglaubt, wir würden uns gut verstehen! Wie dumm von mir, ihr ihre Märchen abzunehmen. Wie konnte ich auf die Idee verfallen, dass sie auf meiner Seite wäre? Nur weil sie sich Sorgen um ihren Vater machte? Ich schüttelte den Kopf über meine eigene Blödheit. Sie hatte mir mehr als einmal versichert, dass sie alles tun würde, um ihn zu retten … und offenkundig umfasste »alles« auch, mich für ihre Zwecke zu benutzen.
»Sie wurde also vergiftet «, knurrte ich. Oh ja, ganz bestimmt sogar. Wie überaus praktisch, dass sie zufällig vergiftet wurde und deswegen leider nicht mehr in der Lage war, Nikola zu folgen. Offensichtlich machte sie mit ihren Onkeln gemeinsame Sache, um … ja, um was? Hier kam ich nicht weiter. Mir blieb auch keine Zeit, um weiter darüber nachzugrübeln. Jetzt galt es, Nikola so schnell wie möglich von hier fortzuschaffen.
»Das ist bestimmt einer von deinen widerwärtigen Brüdern«, raunte ich Nikola zu und tastete dabei nach seinem Kopf. Hinter einem Ohr fühlte ich eine beachtliche Beule, und meine Finger wurden von Blut nass und klebrig. »Na toll. Kein Wunder, dass du ohnmächtig bist.«
»Du musst die Hure zu uns bringen«, forderte eine zweite, deutsch klingende Stimme. »Dann können wir den Bann brechen und unseren geliebten Bruder vor ihren sündhaften Vorhaben bewahren.«
»Langsam stinkt es mir, dass mich im achtzehnten Jahrhundert anscheinend jeder für ein satanisches Flittchen hält«, brummte ich dem bewusstlosen Nikola zu. Ich wischte mir die Hände an seiner Jacke ab und zog ihn dann an mich. »Wach auf, Nikola. Wir müssen hier weg.«
»Na, das klingt schon logisch«, meinte der Mann namens Ted vorsichtig (vermutlich handelte es sich dabei um den Sohn des Alten aus dem Stall, der angeblich gerade mit seiner Freundin unterwegs war). »Aber ich sollte doch lieber erst meinen Paps fragen.«
»Dafür bleibt keine Zeit, mein Freund. Siehst du, wie hoch der Mond schon am Himmel steht? Wenn wir den Baron von ihrem Zauber erlösen wollen, müssen wir sofort handeln. Hurtig jetzt, kehr sofort zur Burg zurück, hol die Hure und bring sie so schnell wie möglich zu uns. Dann werden wir die Opferung vollziehen und unseren Bruder retten.«
Opferung?
Ich packte Nikolas Kopf und schüttelte ihn sacht. »Nikola! Aufwachen! Sie wollen etwas opfern, und ich habe das ungute Gefühl, dass ich damit gemeint bin. Lieber Himmel, was mache ich nur?«
Es blieb keine Zeit, mir einen genialen MacGyver-Plan auszudenken, denn zweifellos würden Nikolas fiese Brüder, sobald sie den Sohn des Stallmeisters los waren, zurückkommen, um nach Nikola zu sehen. Er musste von hier fort, und zwar pronto.
»Okay, probieren wir mal, ob wir aufs Pferd kommen. Vielleicht kann ich dich ja, bis du wieder zu dir kommst, irgendwo im Wald verstecken.« Thor, der gerade damit beschäftigt war, an den Füßen seines Herrn zu schnüffeln, verfolgte interessiert, wie ich Nikola die wenigen Schritte zum Pferd halb trug und halb zerrte. Einen ausgewachsenen, muskulösen Mann einige Schritte weit zu ziehen ist schon schwierig, aber ihn dann auch noch aufs Pferd zu hieven, erwies sich als schier unmöglich. Ich musste mir etwas anderes einfallen lassen, um ihn von hier wegzubringen.
Plötzlich hörte ich Äste krachen, und die deutschen Stimmen wurden lauter. Ich musste augenblicklich handeln.
»Sorry, aber es geht leider nicht anders«, flüsterte ich Nikola zu. Dann zog ich ihm den Mantel aus, wickelte ihn als schützenden Kokon um seinen Kopf und band ihn mit den Ärmeln fest. Dann nahm ich sein Halstuch, ein Leinenstreifen von etwa zwanzig Zentimeter Breite und einem Meter Länge, und band das eine Ende um Nikolas Knöchel und das andere an den Steigbügel. Mit einer weiteren gemurmelten Entschuldigung ergriff ich Thors Zügel und ließ ihn
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