Keine Zeit für Vampire
den Stufen. »Der Baron ist in Gefahr? Wieso das?«
»Das ist eine lange Geschichte. Kommen Sie, bringen Sie mich zum Stall, damit ich ihn finden und ihm helfen kann, seine Brüder zu Brei zu schlagen.«
Eins musste man Elizabet zugestehen – sie hielt sich nicht lange mit Diskussionen auf, sondern wetzte sofort los, die Stufen hinab und ins Erdgeschoss hinunter. Dabei lösten sich einige rote Strähnen aus der kunstvollen Lockenfrisur, die scheinbar alle Frauen dieser Epoche trugen … abgesehen von denen, die noch viel kunstvoller gestaltete Perücken trugen. Imogens Dienstmagd hatte versucht, mir ebenfalls solch ein Styling zu verpassen – ohne Erfolg. Ich schaffte es schließlich, sie dazu zu überreden, mein schulterlanges Haar in einer schlichten Hochsteckfrisur zusammenzufassen. Neben den aufwendigen, tuntigen Frisuren, die die Angestellten hier trugen, wirkte sie jedoch deplatziert schlicht.
»Wissen Sie, wo dieser Zauberwald liegt?«, fragte ich sie. Wir rannten gerade durch einen Seitengang, und ich war schon völlig außer Atem.
»Nein, aber ich arbeite auch erst seit drei Jahren hier. Der alte Ted könnte ihn kennen – er steht schon seit vielen Jahren im Dienst des Barons.«
»Der alte Ted – das ist der Mann, der sich um die Pferde kümmert, richtig?«
»Jawohl.« Sie riss eine Tür auf und hetzte durch den Raum dahinter. Ich folgte ihr und versuchte dabei, nicht mit den Möbelstücken zu kollidieren, die sich nur als schwarze Konturen abzeichneten. Trotzdem stieß ich gegen etwas Hartes, vermutlich einen Stuhl. Ich rieb mir leise fluchend das Schienbein und folgte Elizabet halb rennend, halb hüpfend. Sie zog hastig eine Doppeltür auf, rannte ins Freie, wandte sich dann nach rechts und lief auf die kunstvoll geschnittenen Hecken zu, die ich schon von einem Fenster aus gesehen hatte.
»Warte, ich habe Seitenstechen und möglicherweise auch ein gebrochenes Schienbein. Au. Au, au, au.« Ich humpelte hinter ihr her und führte mir dabei vor Augen, dass meine Schmerzen unbedeutend waren, denn immerhin ging es hier um Nikolas Wohlergehen.
Ich verstehe nicht, wie sie sich im Stockdunkeln so gut orientieren konnte, denn trotz des Mondes am Himmel war es pechschwarz. Jedenfalls standen wir in null Komma nichts vor den Pferdeställen. Ich war völlig außer Atem, Elizabet dagegen merkte man die Anstrengung kaum an.
»Ich … muss … mal … wieder … ins … Fitnessstudio«, keuchte ich atemlos und stützte mich auf den Knien ab. Elizabet rief nach dem alten Ted.
»Aye, hier bin ich, Mädel. Was ist los?« Ein alter Mann erschien im Stalltor. Er hatte einen schiefen Rücken und lächelte uns freundlich zu. Sein Blick wanderte von Elizabet zu mir. Überrascht rief er aus: »Sieh an! Das Flittchen! Was gibst du dich denn mit so einer ab?«
»Langsam habe ich genug davon, ständig als Schlampe bezeichnet zu werden«, hielt ich ihm vor und versuchte, mich wieder aufrecht hinzustellen. Dann wollte ich ihm einen Blick verpassen, der ihn in die Schranken verweisen sollte, aber leider war ich noch immer recht kurzatmig, und meine Seite und das Schienbein taten dafür zu sehr weh. »Ich brauche ein Pferd. Und einen normalen Sattel.«
»Seine Lordschaft hat nichts davon erwähnt, dass …«
»Nikola schwebt in Gefahr, in großer Gefahr, und je länger Sie hier mit mir herumdiskutieren, desto größer wird die Wahrscheinlichkeit, dass er, bis ich ihn finde, schon tot ist. Also bitte, bei allem, was Ihnen heilig ist, geben Sie mir ein Pferd.«
»Der Master ist in Gefahr?«, fragte der Alte mit zusammengekniffenen Augen.
»Ja doch!« Ich rang genervt die Hände. »Ein Pferd! Jetzt!«
»Der Master ist vor einer halben Stunde davongeritten«, entgegnete Ted listig. »Wie kann er da in Gefahr schweben?«
»Ich habe das Gefühl, ich stecke in einem verfluchten Albtraum! Jetzt hören Sie mir genau zu, Sie sturköpfiger, alter Knacker!« Damit packte ich ihn am Kragen und schüttelte ihn ungeachtet seiner Gebrechlichkeit. »Wenn Sie mir nicht sofort ein Pferd geben und den Weg zum Zauberforst zeigen, wird Nikola getötet werden.«
»Zauberwald«, korrigierte mich Elizabet.
Er musterte mich einige Sekunden lang, und ich stand schon kurz davor, mich kurzerhand an ihm vorbeizudrängen und mir selbst ein Pferd zu besorgen, als er plötzlich nickte, mich wegstieß und in den Stall zurückhinkte. »Ich kann Ihnen den Weg dorthin nur beschreiben, denn ich kann nicht mehr reiten, und mein Junge trifft sich heute
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