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Keine zweite Chance

Keine zweite Chance

Titel: Keine zweite Chance Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Coben
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Palisadenzaun der Grossmans. Ich riss das Lenkrad nach rechts. Und dann sah ich sie. Ich trat auf die Bremse. Rachel stand vor dem Feuerholzstapel. Der lag schon da, seit wir das Haus gekauft hatten. Wir hatten es nicht benutzt. Wahrscheinlich war es verrottet und wurmstichig. Die Grossmans hatten sich darüber beschwert, weil er so nah an ihrem Zaun lag und der Holzwurm den Zaun angreifen würde. Ich hatte versprochen, das Holz wegzuschaffen, war aber noch nicht dazu gekommen.
    Rachel hatte ihre Pistole gezogen und zielte nach unten. Der Mann im Flanellhemd lag zu ihren Füßen wie Müll von gestern. Ich brauchte das Fenster nicht herunterzulassen. Die Windschutzscheibe war von den Schüssen zertrümmert worden. Ich hörte nichts. Rachel hob eine Hand. Sie winkte mir zu, dass die Luft rein war und ich zu ihr kommen sollte. Ich stieg aus.
    »Hast du ihn erschossen?«, stellte ich eine fast rhetorische Frage.
    »Nein«, sagte sie.
    Der Mann war tot. Man brauchte kein Arzt sein, um das zu erkennen. Seine Schädeldecke war weggesprengt. Rosaweiße Gehirnmasse gerann auf dem Feuerholz. Ich bin kein Fachmann für Ballistik, aber der Schaden war erheblich. Er stammte entweder von einer sehr großkalibrigen Kugel, oder der Schuss war aus sehr kurzer Entfernung abgegeben worden.
    »Es war jemand bei ihm«, sagte Rachel. »Sie haben ihn erschossen und sind durch das Tor geflohen.«
    Ich starrte auf ihn hinab. Die Wut kochte wieder hoch. »Wer ist das?«
    »Ich habe seine Taschen durchsucht. Er hat ein Bündel Geldscheine, aber keinen Ausweis.«
    Ich wollte ihn treten. Ich wollte ihn schütteln und fragen, was er
mit meiner Tochter gemacht hatte. Ich sah ihm ins Gesicht, das verwundet, aber früher offenbar einmal ganz attraktiv gewesen war, und fragte mich, was ihn hierher geführt hatte, warum unsere Lebenswege sich gekreuzt hatten. Und da fiel mir etwas Seltsames auf.
    Ich legte den Kopf schief.
    »Marc?«
    Ich kniete nieder. Hirnmasse störte mich nicht. Knochensplitter und blutiges Körpergewebe störten mich absolut nicht. Ich hatte schon schlimmere Verletzungen gesehen. Ich untersuchte seine Nase. Sie war wie Knetmasse. Ich erinnerte mich an solche Fälle. Ein Boxer, dachte ich. Oder jemand, der ein paar harte Jahre durchgemacht hatte. Sein Kopf rollte wieder zurück in diesen seltsamen Winkel. Sein Mund stand offen. Das war mir ins Auge gefallen. Ich legte die Finger auf Kiefer und Gaumen und machte seinen Mund weit auf.
    »Was zum Teufel machst du da?«, fragte Rachel.
    »Hast du eine Taschenlampe?«
    »Nein.«
    Auch egal. Ich hob seinen Kopf an und hielt den Mund in Richtung Auto. Das Scheinwerferlicht reichte. Ich konnte es gut erkennen.
    »Marc?«
    »Mir ist das von Anfang an komisch vorgekommen, dass die mich sein Gesicht haben sehen lassen.« Ich senkte den Kopf zu seinem Mund und versuchte dabei, möglichst wenig Schatten zu werfen. »Mit allem anderen waren sie so vorsichtig. Die verzerrte Stimme, das geklaute Schild am Lieferwagen, die zusammengeschweißten Autokennzeichen. Und dann zeigt er mir sein Gesicht.«
    »Wovon redest du eigentlich?«
    »Beim ersten Mal habe ich gedacht, er hätte eine unsichtbare Maske getragen. Das wäre logisch gewesen. Aber jetzt wissen wir,
dass er das nicht getan hat. Warum haben sie mich also sein Gesicht sehen lassen?«
    Sie schien erstaunt, dass ich nicht aufhörte, ihn zu untersuchen, aber dieses Erstaunen hielt nicht lange an. Sie ließ sich auf meine Spekulation ein. »Weil er nicht vorbestraft ist.«
    »Vielleicht. Oder …«
    »Oder was? Marc, wir haben keine Zeit für so was.«
    »Seine Zähne.«
    »Was ist damit?«
    »Sieh dir die Kronen an. Das sind Blechdosen.«
    »Das sind was?«
    Ich hob den Kopf. »Auf dem Backenzahn rechts oben und dem Eckzahn unten links. Verstehst du, unsere Kronen waren früher aus Gold, und jetzt sind sie meist aus Keramik. Der Zahnarzt macht eine Form, damit sie genau passt. Aber das hier ist einfach eine vorgefertigte Aluminiumkappe. Man steckt sie über den Zahn und drückt sie mit einer Zange fest. Ich habe zwei HNO-Praktika im Ausland gemacht und vor allem Kieferoperationen durchgeführt. Da hatten viele diese Dinger im Mund. Man nennt sie Blechdosen. Hier in den USA benutzt man die nicht, außer vielleicht mal als Provisorium.«
    Sie kniete sich neben mich. »Er ist Ausländer?«
    Ich nickte. »Ich würde wetten, dass er aus der früheren Sowjetunion oder so stammt. Oder vielleicht vom Balkan.«
    »Klingt logisch«, sagte sie. »Wenn

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