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Keine zweite Chance

Keine zweite Chance

Titel: Keine zweite Chance Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Coben
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Kinder waren älter geworden, auf den Bildern wie auch im Leben. Aber das älteste Foto, auf dem wir vier beim Ball zu sehen waren, hing nicht mehr da. Ich wusste nicht, was das bedeutete. Wahrscheinlich nichts. Vielleicht hatten Lenny und Cheryl aber auch ihren eigenen Rat befolgt: Man musste aufhören, in der Vergangenheit zu leben.
    Rachel saß über die Tastatur gebeugt an Lennys Schreibtisch. Das Blut an ihrem Hals war getrocknet. Ihr Ohr sah schlimm aus. Als wir hereinkamen, warf sie uns nur einen kurzen Blick zu und tippte dann weiter. Ich untersuchte ihr Ohr. Es war ziemlich lädiert. Die Kugel hatte den oberen Teil mitgenommen und auch die Kopfhaut abgeschürft. Zwei, drei Zentimeter weiter – ach, wahrscheinlich hätte schon einer genügt – und sie wäre tot gewesen. Rachel beachtete mich nicht, selbst als ich die Wunde desinfizierte und einen Verband anlegte. Das reichte erst einmal. Sobald wir etwas Zeit hatten, würde ich sie richtig versorgen.

    »Treffer«, sagte Rachel plötzlich. Sie lächelte und drückte eine Taste. Der Drucker begann zu surren.
    Lenny nickte mir zu. Ich fixierte den Verband und sagte: »Rachel?«
    Sie blickte zu mir auf.
    »Ich muss mit dir reden«, sagte ich.
    »Nein«, entgegnete sie. »Wir müssen hier raus. Ich hab gerade eine heiße Spur entdeckt.«

    Lenny blieb, wo er war. Cheryl kam mit verschränkten Armen ins Zimmer. »Was für eine Spur?«, fragte ich.
    »Ich bin die Anrufliste des Handys durchgegangen«, sagte Rachel.
    »So was kannst du?«
    »Die ist ganz leicht zugänglich, Marc«, sagte sie und ich hörte die Ungeduld in ihrer Stimme. »Die Liste mit eingehenden und abgehenden Anrufen. Das geht bei praktisch jedem Handy.«
    »Okay.«
    »Die abgehenden Anrufe haben nichts gebracht. Die Nummern waren nicht abgespeichert, das heißt, wenn er irgendwen angerufen hat, war die Nummer gesperrt.«
    Ich versuchte, ihr zu folgen. »Okay.«
    »Bei den eingehenden Anrufen sieht das anders aus. Es stand nur ein einziger auf der Liste. Nach der internen Uhr war das ziemlich genau um Mitternacht. Ich habe die Telefonnummer gerade im umgekehrten Nummernverzeichnis bei switchboard.com nachgesehen. Es ist ein Privatanschluss. Ein Verne Dayton in Huntersville, New Jersey.«
    Weder Name noch Ort sagten mir etwas. »Wo ist Huntersville?«
    »Das hab ich bei MapQuest nachgesehen. Es liegt an der
Grenze zu Pennsylvania. Ich hab mich bis auf ein paar hundert Meter rangezoomt. Das Haus steht ganz allein. Hektarweise Land mitten im Nichts.«
    Das Frösteln breitete sich von meinem Herzen im ganzen Körper aus. »Ich brauche deinen Wagen.«
    »Moment noch«, sagte Lenny. »Zuerst brauchen wir mal ein paar Antworten.«
    Rachel stand auf. »Du willst wissen, was es mit den Fotos auf der CD auf sich hat?«
    »Das wäre ein Anfang.«
    »Ich bin tatsächlich die Person auf den Fotos. Ja, ich war da. Der Rest geht euch nichts an. Marc bin ich eine Erklärung schuldig, euch nicht. Was noch?«
    Ausnahmsweise wusste Lenny einmal nicht, was er sagen sollte.
    »Außerdem wollt ihr wissen, ob ich meinen Mann umgebracht habe, stimmt’s?« Sie sah Cheryl an. »Glaubst du, dass ich Jerry umgebracht habe?«
    »Ich weiß nicht mehr, was ich glauben soll«, antwortete Cheryl. »Aber ich will, dass ihr beide hier verschwindet.«
    »Cheryl«, sagte Lenny.
    Sie sah ihn mit einem Blick an, der ein anstürmendes Nashorn zu Boden gestreckt hätte. »Sie hätten das nicht in unser Haus bringen dürfen.«
    »Er ist unser bester Freund. Er ist der Patenonkel unseres Sohnes.«
    »Das macht es nur noch schlimmer. Er bringt die Gefahr zu uns nach Hause. In das Leben unserer Kinder.«
    »Ach komm, Cheryl. Du übertreibst.«
    »Nein«, sagte ich. »Sie hat Recht. Wir müssen sehen, dass wir hier rauskommen. Gib mir den Schlüssel.«
    Rachel nahm den Zettel aus dem Drucker. »Wegbeschreibung«, erläuterte sie.

    Ich nickte und sah Lenny an. Er ließ den Kopf hängen, wippte auf den Füßen auf und ab. Wieder dachte ich an unsere Kindheit. »Sollten wir nicht Tickner und Regan anrufen?«, fragte er.
    »Um ihnen was zu sagen?«
    »Ich kann es ihnen erklären«, sagte er. »Wenn Tara wirklich dort ist …«, er brach ab, schüttelte den Kopf, als wäre ihm gerade eingefallen, wie albern der Gedanke war, »… haben sie die bessere Ausrüstung, falls man irgendwo rein muss.«
    »Sie haben das mit Rachels Sender rausbekommen.«
    »Was?«
    »Die Entführer. Wir wissen nicht, wie. Aber sie haben ihn gefunden. Du brauchst

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