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Keine zweite Chance

Keine zweite Chance

Titel: Keine zweite Chance Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Coben
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an zu schreiben und machte keinen Hehl daraus, dass das Gespräch damit beendet war. »Überlassen Sie’s der örtlichen Polizei.«

    New Jersey ist der am dichtesten besiedelte Bundesstaat in unserem Land. Das überrascht niemanden. New Jersey hat Städte, Vororte und viel Industrie. Auch das überrascht kaum jemanden. New Jersey nennt man den Garden State, und es hat viele ländliche Gebiete. Das überrascht viele.
    Schon bevor wir in Huntersville ankamen, hatten die Zeichen menschlichen Lebens – im Gegensatz zum tierischen und pflanzlichen  – stetig abgenommen. Es gab nur wenige Häuser. Wir waren an einem Gemischtwarenladen vorbeigekommen, der direkt aus der Fernsehserie Mayberry RFD hätte stammen können, doch die Fenster waren mit Brettern vernagelt. Auf den nächsten fünf Kilometern bogen wir fünfmal ab. Ich sah keine Häuser und keine Autos.
    Wir waren mitten im dichten Wald. Ich bog ein letztes Mal ab und fuhr einen Berg hinauf. Ein Hirsch – schon der vierte, den ich hier sah – sprang über die Straße. Er war weit genug weg, so dass keine Unfallgefahr bestand. Langsam stieg der Verdacht in mir auf, dass man das »Jäger« im Namen Huntersville wörtlich nehmen durfte.
    »Es muss gleich rechts von uns sein«, meinte Rachel.
    Ein paar Sekunden später entdeckte ich einen Briefkasten. Ich fuhr langsamer, suchte nach einem Haus oder einem anderen Gebäude. Doch ich sah nur Bäume.
    »Fahr weiter«, sagte Rachel.
    Ich verstand. Wir konnten nicht einfach vor der Tür vorfahren. Nach etwa einem halben Kilometer stießen wir auf eine
kleine Senke neben der Straße. Ich fuhr hinein und stellte den Motor ab. Mein Herz fing an zu rasen. Es war sechs Uhr morgens. Es wurde allmählich hell.
    »Kannst du mit einer Pistole umgehen?«, fragte Rachel.
    »Ich habe früher mal mit der von meinem Vater auf dem Schießstand geübt.«
    Sie drückte mir eine Waffe in die Hand. Ich starrte sie an, als hätte ich gerade einen sechsten Finger entdeckt. Auch sie hatte ihre Pistole gezogen. »Woher hast du die?«, fragte ich.
    »Aus eurem Garten. Von dem Toten.«
    »Mein Gott.«
    Sie zuckte die Achseln, als wollte sie sagen: Hey, man kann nie wissen . Ich sah mir die Pistole noch einmal an und plötzlich kam mir ein Gedanke: War das die Waffe, mit der man auf mich geschossen hatte? Oder die, mit der Monica umgebracht worden war?
    Damit ließ ich es gut sein. Wir hatten keine Zeit für solche Zimperlichkeiten. Rachel war bereits ausgestiegen. Ich folgte ihr. Wir gingen durch den Wald. Es gab keinen Weg. Wir suchten uns einen. Rachel ging vor. Sie steckte ihre Pistole hinten in den Hosenbund. Ich nicht, ich weiß nicht, warum. Ich wollte die Waffe in der Hand haben. Ausgebleichte orangefarbene »NO TRES-PASSING«-Schilder wiesen darauf hin, dass das Betreten des Grundstücks verboten war. Das Wort NO war in riesiger Schrift gedruckt, der Rest, sozusagen die Erläuterung des offensichtlich gemeinten, war viel kleiner.
    Wir gingen weiter in die Richtung, in der wir die Zufahrt vermuteten. Als wir sie entdeckt hatten, hielten wir uns parallel zu dem unbefestigten Fahrweg. Nach ein paar Minuten blieb Rachel stehen. Fast wäre ich in sie hineingelaufen. Sie deutete nach vorn.
    Ein Gebäude.
    Es sah aus wie eine Scheune. Jetzt wurden wir vorsichtiger. Wir
huschten geduckt von Baum zu Baum und versuchten, in Deckung zu bleiben. Wir sprachen nicht. Nach einer Weile hörte ich Musik. Country, glaube ich, aber ich kenne mich da nicht sehr gut aus. Vor mir öffnete sich eine Lichtung. Da stand wirklich eine Scheune. Es sah aus, als würde sie gerade abgerissen. Es gab auch noch ein anderes Gebäude – eine Art Ranch, oder auch nur ein ausgebauter Wohnwagen.
    Wir schlichen bis an den Waldrand. Dort spähten wir hinter Bäumen hervor. Im Hof stand ein Traktor. Daneben parkte ein alter Trans Am auf ein paar Wegplatten. Direkt vor der Ranch stand ein weißer, aufgemotzter Sportwagen – manche Leute würden ihn wohl als Flitzer bezeichnen – mit einem breiten, schwarzen Streifen auf der Motorhaube. Er sah aus wie ein Camaro.
    Der Wald endete hier, aber wir waren noch etwa zwanzig Meter vom Ranchgebäude entfernt. Das Gras war kniehoch. Rachel zog ihre Pistole. Ich hatte meine noch in der Hand. Sie glitt zu Boden und begann, auf das Haus zuzukriechen. Ich folgte ihr. Im Fernsehen sieht das immer ziemlich leicht aus. Man robbt mit angewinkelten Armen voran und lässt den Hintern unten. Die ersten drei Meter ist es auch ziemlich

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