Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Keine zweite Chance

Keine zweite Chance

Titel: Keine zweite Chance Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Coben
Vom Netzwerk:
einfach. Dann wird es schwieriger. Meine Ellbogen schmerzten. Das Gras geriet mir in Nase und Mund. Ich leide nicht an Heuschnupfen oder sonstigen Allergien, aber wir scheuchten alles Mögliche auf. Mücken und ähnliches Getier sannen auf Rache, weil wir ihren Schlaf gestört hatten. Die Musik wurde lauter. Der Sänger – er traf fast keinen einzigen Ton – klagte über sein »poor, poor heart«.
    Rachel blieb liegen. Ich kroch rechts neben sie. »Alles okay?«, fragte sie.
    Ich nickte schwer atmend.
    »Vielleicht müssen wir was unternehmen, wenn wir da sind«, sagte sie. »Dann darfst du nicht vollkommen erschöpft sein. Wir können langsamer vorrücken, wenn es sein muss.«

    Ich schüttelte den Kopf und kroch weiter. Ich wollte nicht langsamer vorrücken. Langsamer vorrücken kam gar nicht in Frage. Wir kamen näher. Jetzt hatte ich den Camaro klarer im Blick. Er hatte schwarze Schmutzfänger mit der silbernen Silhouette eines hübschen Mädchens darauf an den Hinterrädern. Auf der hinteren Stoßstange waren Aufkleber. Auf einem stand: SCHUSSWAFFEN BRINGEN KEINE MENSCHEN UM. ABER SIE MACHEN ES LEICHTER.
    Rachel und ich lagen fast ohne Deckung am Rand des hohen Grases, als ein Hund zu bellen anfing. Wir erstarrten.
    Es gibt verschiedene Arten von Hundegebell. Das Kläffen eines nervenden Schoßhunds. Das satte Begrüßungs- »Wuff« eines freundlichen Golden Retrievers. Das Warngebell eines im Prinzip harmlosen Haustiers. Und es gibt das gutturale, heisere Blaffen eines Schrottplatz-Wachhunds, bei dem einem das Blut in den Adern gerinnt.
    Dieses Bellen gehörte in die letzte Kategorie.
    Vor dem Hund hatte ich nicht besonders viel Angst. Schließlich hatte ich eine Pistole. Es war einfacher, dachte ich, sie gegen einen Hund als gegen einen Menschen einzusetzen. Aber ich fürchtete natürlich, dass das Bellen von dem Bewohner der Ranch gehört wurde. Also warteten wir. Nach ein oder zwei Minuten verstummte der Hund. Wir behielten die Tür der Ranch im Auge. Ich weiß nicht, was wir getan hätten, wenn jemand herausgekommen wäre. Was wäre passiert, wenn uns jemand entdeckt hätte? Wir hätten nicht schießen können.
    Wir wussten ja gar nichts. Die Tatsache, dass von Verne Daytons Haus aus das Handy eines Toten angerufen worden war, besagte nicht viel. Wir hatten keine Ahnung, ob meine Tochter hier war oder nicht.
    Eigentlich wussten wir überhaupt nichts.
    Im Hof lagen viele Radkappen. Die aufgehende Sonne spiegelte
sich darin. Ich entdeckte einen Haufen grüne Kartons. Und irgendwie zogen sie meinen Blick auf sich. Ich vergaß alle Vorsicht und begann, näher heranzukriechen.
    »Warte«, flüsterte Rachel.
    Aber ich konnte nicht warten. Ich musste mir diese Kartons aus der Nähe ansehen. Sie hatten irgendetwas … aber ich wusste nicht, was es war. Ich robbte zum Traktor hinüber und versteckte mich dahinter. Wieder sah ich zu den Schachteln hinüber. Jetzt hatte ich es. Die Kartons waren tatsächlich grün. Außerdem war das Bild eines lächelnden Babys darauf.
    Windeln.
    Rachel war neben mir. Ich schluckte. Große Windelkartons. Discountpackungen aus dem Supermarkt. Rachel hatte sie auch entdeckt. Sie legte mir die Hand auf den Arm, ermahnte mich, ruhig zu bleiben. Wir ließen uns wieder auf den Boden sinken. Sie bedeutete mir, dass wir zu einem Seitenfenster kriechen sollten. Mit einem Nicken deutete ich an, dass ich verstanden hatte. Jetzt plärrte ein langes Geigensolo aus der Stereoanlage.
    Wir lagen beide auf dem Boden, als ich etwas Kaltes in meinem Nacken spürte. Ohne den Kopf zu bewegen, sah ich zu Rachel hinüber. Auch sie hatte einen Gewehrlauf am Hinterkopf.
    Eine Stimme sagte: »Waffen fallen lassen.«
    Es war eine Männerstimme. Rachel hielt ihre Pistole in der rechten Hand direkt vor ihrem Gesicht. Sie ließ sie los. Ein Arbeitsstiefel trat vor und kickte sie weg. Ich versuchte unsere Chancen einzuschätzen. Ein einzelner Mann. So viel hatte ich inzwischen gesehen. Ein Mann mit zwei Gewehren. Möglicherweise konnte ich etwas tun. Nicht dass ich es rechtzeitig schaffen würde, aber vielleicht konnte Rachel sich befreien. Als mein Blick ihre Augen traf, sah ich die Panik darin. Sie wusste, was ich dachte. Dann grub sich das Gewehr tiefer in meinen Nacken und drückte mein Gesicht in den Staub.

    »Vergiss es, Chef. Ich kann genauso gut zwei Gehirne über den Hof verteilen wie eins.«
    Meine Gedanken rasten, blieben aber immer wieder in Sackgassen stecken. Also ließ ich die Pistole los und

Weitere Kostenlose Bücher