Keine zweite Chance
nur eins und eins zusammenzuzählen, Lenny. In der Lösegeldforderung haben sie uns gewarnt, dass sie einen Informanten im innersten Kreis haben. Beim ersten Mal wussten sie, dass ich die Cops eingeweiht hatte. Beim zweiten Mal wissen sie von dem Sender.«
»Und das soll ein Beweis sein?«
»Meinst du, ich hab Zeit, nach einem Beweis zu suchen?«
Lennys Miene verdüsterte sich.
»Du weißt, dass ich das nicht riskieren kann.«
»Ja«, sagte er. »Ich weiß.«
Lenny griff in die Tasche und gab mir den Schlüssel. Wir waren schon weg.
35
Als Regan und Tickner den Anruf wegen der Schießerei am Seidman-Haus erhielten, sprangen sie auf. Sie waren gerade auf dem Weg zum Fahrstuhl, als Tickners Handy klingelte.
Eine steife, übertrieben förmliche Stimme sagte: »Special Agent Tickner?«
»Am Apparat.«
»Hier spricht Special Agent Claudia Fisher.«
Tickner kannte den Namen. Wahrscheinlich war er ihr auch schon ein- oder zweimal begegnet. »Was gibt’s?«, fragte er.
»Wo sind Sie jetzt?«, wollte sie wissen.
»Im New York Presbyterian Hospital. Aber ich bin gerade auf dem Weg nach New Jersey.«
»Nein«, sagte sie. »Kommen Sie bitte sofort zum Polizeihauptquartier.«
Tickner sah auf die Uhr. Es war erst fünf Uhr morgens. »Jetzt?«
»Ja, das beinhaltet der Begriff sofort.«
»Darf ich fragen, worum es geht?«
»Der stellvertretende Direktor Joseph Pistillo möchte Sie sprechen.«
Pistillo? Das gab ihm zu denken. Pistillo war der Top-Agent an der Ostküste. Er war der Chef des Chefs von Tickners Chef. »Ich bin gerade auf dem Weg zu einem Tatort.«
»Das ist keine Bitte«, sagte Fisher. »Direktor Pistillo erwartet sie hier innerhalb der nächsten halben Stunde.«
Die Leitung wurde unterbrochen. Langsam ließ Tickner die Hand sinken.
»Was war das denn?«, fragte Regan.
»Ich muss weg«, sagte Tickner und ging den Flur entlang.
»Wohin?«
»Der Boss will mich sehen.«
»Jetzt?«
»Jetzt sofort.« Tickner hatte schon den halben Flur hinter sich gebracht. »Rufen Sie mich an, wenn Sie was erfahren.«
»Es fällt mir nicht leicht, darüber zu reden«, sagte Rachel.
Ich fuhr. Die unbeantworteten Fragen hatten sich gehäuft, bedrückten
uns beide und zehrten an unseren Nerven. Ich sah weiter auf die Straße und wartete.
»War Lenny dabei, als du die Fotos gesehen hast?«, erkundigte sie sich.
»Ja.«
»War er überrascht?«
»Ich hatte schon den Eindruck.«
Sie lehnte sich zurück. »Cheryl wäre wahrscheinlich nicht überrascht gewesen.«
»Warum nicht?«
»Sie hat angerufen und mich gewarnt, als du nach meiner Nummer gefragt hast.«
»Wovor?«, fragte ich.
»Vor uns.«
Weitere Erklärungen waren nicht nötig. »Mich hat sie auch gewarnt«, sagte ich.
»Als Jerry gestorben ist – das war mein Mann, Jerry Camp – nach seinem Tod, na ja, sagen wir, da habe ich eine schwere Zeit durchgemacht.«
»Verstehe.«
»Nein«, sagte sie. »Das meine ich nicht. Unsere Beziehung hat schon lange nicht mehr funktioniert. Ich weiß nicht, ob sie überhaupt je funktioniert hat.
Jerry war Ausbilder in Quantico. Darüber hinaus war er eine lebende Legende. Einer der besten Agenten aller Zeiten. Erinnerst du dich noch an den KillRoy-Fall vor ein paar Jahren?«
»Das war ein Serienmörder, oder?«
Rachel nickte. »Die Festnahme ging zum größten Teil auf Jerrys Konto. Er hatte eine der besten Erfolgsquoten beim gesamten FBI. Was mich betrifft … ? Ich weiß gar nicht, wie es genau passiert ist. Na ja, vielleicht doch. Er war älter. Vielleicht hab ich ihn als eine Art Vaterfigur gesehen. Ich bin vollkommen im FBI aufgegangen.
Es war mein Leben. Jerry hat sich in mich verliebt. Ich fühlte mich geschmeichelt. Aber ich kann nicht sagen, ob ich ihn je wirklich geliebt habe.«
Sie schwieg. Ich spürte, dass sie mich ansah. Ich blickte weiter auf die Straße.
»Hast du Monica geliebt?«, fragte sie. »Ich meine, richtig geliebt?«
Meine Schultermuskeln verspannten sich. »Was ist denn das für eine Frage?«
Sie wartete einen Augenblick. Dann sagte sie: »Tut mir Leid. Das steht mir nicht zu.«
Das Schweigen wurde immer unerträglicher. Ich versuchte, ruhiger zu atmen. »Du wolltest von den Fotos erzählen.«
»Ja.« Rachel fing an, nervös herumzuzappeln. Sie trug nur einen Ring, den sie jetzt um den Finger drehte und hoch und runter schob. »Als Jerry gestorben ist …«
»Erschossen worden ist«, unterbrach ich.
Wieder spürte ich ihren Blick auf mir. »Erschossen worden ist,
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