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Keine zweite Chance

Keine zweite Chance

Titel: Keine zweite Chance Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Coben
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Büro lag im ersten Stock, daher entschloss ich mich, am Eingang zu warten. So konnte ich ihn auf neutralem Gebiet überraschen, bevor Agnes die Chance hatte, ihn zu warnen. Fünf Minuten vergingen. Mehrere Anzugträger kamen vorbei, geplagt von ihrem Tag mit Druckertonern und Briefbeschwerern, die Rücken gebeugt von kofferraumgroßen Aktentaschen. Ich schritt im Flur auf und ab.
    Ein weiteres Paar kam herein. An ihren zaghaften Schritten und den leidenden Blicken erkannte ich sofort, dass auch sie auf dem Weg zu Bacards Büro waren. Ich sah ihnen nach und fragte mich, was sie hierher geführt hatte. Ich sah ihre Hochzeit vor mir, wie sie sich an den Händen hielten, sich freimütig küssten und sich vor dem Aufstehen liebten. Ich sah, wie es mit ihnen beruflich bergauf ging. Ich sah, wie sie einen Stich verspürten und erste Versuche machten, Kinder zu zeugen, das Warten-wir-biszum-nächsten-Monat-Achselzucken, wenn die Tests negativ ausfielen, die langsam aufkeimenden Sorgen. Ein Jahr verstreicht. Immer noch nichts. Die ersten Freunde bekommen Kinder und reden von nichts anderem mehr. Ihre Eltern fragen, wann sie Enkel
bekommen. Ich sah, wie sie einen Arzt aufsuchten – einen Spezialisten  –, die endlosen Tests bei der Frau, die Demütigung, in einen Becher masturbieren zu müssen, die privaten Fragen, die Blut- und Urinproben. Weitere Jahre vergehen. Die Freunde sind fremd geworden. Beim Sex geht es nur noch um Fortpflanzung. Er wird geplant. Und immer spielt eine gewisse Traurigkeit mit hinein. Er hört auf, ihre Hand zu halten. Sie wendet sich nachts ab, es sei denn, sie hatte gerade ihren Eisprung. Ich sah die Medikamente, das Menogon, die absurd teure In-vitro-Fertilisation, den Arbeitsausfall, das Blättern in Kalendern, die immer gleichen Tests, das niederschmetternde Ergebnis.
    Und jetzt waren sie hier.
    Nein, ich wusste nicht, ob irgendetwas davon wirklich geschehen war. Aber ich nahm an, dass ich nicht allzu falsch lag. Wie weit würden sie gehen, um dieses Leiden zu beenden? Wie viel würden sie bezahlen?
    »Oh Gott! Oh Gott!«
    Ich fuhr herum. Ein Mann kam durch die Tür gestürzt.
    »Rufen Sie die Polizei an!«
    Ich lief auf ihn zu. »Was ist passiert?«
    Ich hörte noch einen Schrei und rannte nach draußen. Noch ein Schrei. Höher, wohl eine Frau. Ich wandte mich nach rechts. Zwei Frauen flohen aus der Tiefgarage. Ich rannte die Rampe hinunter und am Tor vorbei, an dem man sein Parkticket zieht. Wieder rief jemand um Hilfe und forderte die Leute auf, die Polizei zu rufen.
    Vor mir sprach ein Wachmann in ein Funkgerät. Auch er rannte los. Ich folgte ihm. Als wir um eine Ecke kamen, hielt der Wachmann an. Eine Frau stand neben ihm. Sie hatte die Hände an die Wangen gedrückt und schrie. Ich rannte zu ihnen und blickte zu Boden.
    Der Leichnam klemmte zwischen zwei Autos. Die Augen starrten
leer ins Nichts. Sein Gesicht war immer noch pausbäckig, mit fliehendem Kinn und Country-Club-Glanz. Das Blut lief aus einer Kopfwunde. Die Welt geriet wieder ins Wanken.
    Steven Bacard, meine womöglich letzte Hoffnung, war tot.

41
    Rachel drückte den Klingelknopf. Denise Vanech hatte so einen Angeber-Gong, der die Tonleiter einmal rauf und dann wieder runter spielte. Die Sonne stand inzwischen hoch am wolkenlosen, blauen Himmel. Auf der Straße marschierten zwei Walker mit winzigen malvenfarbenen Hanteln in den Händen vorbei.
    Sie nickten Rachel zu, ohne ihre Schritte zu verlangsamen. Rachel erwiderte das Nicken.
    Die Gegensprechanlage knisterte. »Ja?«
    »Denise Vanech?«
    »Wer ist da, bitte?«
    »Mein Name ist Rachel Mills. Ich habe für das FBI gearbeitet.«
    »Sagten Sie habe gearbeitet? «
    »Ja.«
    »Was wollen Sie?«
    »Wir müssen uns unterhalten, Ms Vanech.«
    »Worüber?«
    Rachel seufzte. »Könnten Sie bitte die Tür öffnen?«
    »Nicht, solange ich nicht weiß, worum es geht.«
    »Das junge Mädchen, dass Sie in Union City besucht haben. Es geht um sie. Unter anderem.«
    »Tut mir Leid. Ich gebe keine Auskünfte über meine Patienten.«
    »Ich sagte unter anderem.«
    »Was geht das eine ehemalige FBI-Agentin überhaupt an?«

    »Wäre es Ihnen lieber, wenn ich einen aktiven Agenten hinzuziehe?«
    »Was Sie tun, interessiert mich nicht, Ms Mills. Ich habe Ihnen nichts zu sagen. Wenn jemand vom FBI Fragen an mich hat, kann er meinen Anwalt anrufen.«
    »Verstehe«, sagte Rachel. »Meinen Sie Mr Steven Bacard?«
    Einen Moment war es still. Rachel sah zu ihrem Wagen hinüber.
    »Ms

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