Keine zweite Chance
wahr?«
»Nein.«
Denise Vanech drückte ihre Handflächen aneinander und schloss die Augen. Es sah aus, als betete sie. »Wir engagieren amerikanische Mütter.«
Rachel verzog das Gesicht. »Wie bitte?«
»Sagen wir, Tatiana steht kurz vor der Geburt. Wir könnten Sie, Rachel, dafür anheuern, als Mutter aufzutreten. Sie würden
zur Meldestelle in Ihrem Rathaus gehen. Sie würden sagen, dass Sie schwanger sind und eine Hausgeburt vornehmen werden, so dass es keine Krankenhauspapiere gibt. Die geben Ihnen ein paar Formulare mit. Sie überprüfen nicht, ob Sie wirklich schwanger sind. Wie sollten sie auch? Sie können Sie ja nicht zwangsweise einer gynäkologischen Untersuchung unterziehen.«
Rachel lehnte sich zurück. »Herrgott.«
»Eigentlich ganz einfach. Es gibt keine Aufzeichnungen darüber, dass Tatiana ein Baby bekommt. Aber es gibt welche, dass Sie eins bekommen. Ich bringe das Baby zur Welt. Ich unterzeichne als bei der Geburt anwesende Zeugin, dass Ihr Baby geboren wurde. Damit sind Sie die Mutter. Bacard bereitet die Papiere für die Adoption vor …« Sie zuckte die Achseln.
»Die Adoptionseltern wissen also gar nicht, was da vorgeht?«
»Nein, aber sie schauen auch nicht allzu genau hin. Sie sind verzweifelt. Sie wollen es nicht wissen.«
Rachel fühlte sich plötzlich ausgelaugt.
»Und bevor Sie uns auffliegen lassen«, fuhr Denise fort, »sollten Sie noch etwas anderes bedenken. Wir machen das jetzt seit fast zehn Jahren. Das heißt, zig Kinder leben schon seit Jahren glücklich in ihren Familien. All diese Adoptionen würden für nichtig erklärt werden. Die leiblichen Mütter können hier rüberkommen und ihre Kinder zurückverlangen. Oder Geld dafür verlangen, dass sie stillhalten. Sie würden viele Leben zerstören.«
Rachel schüttelte den Kopf. Das war ihr jetzt zu viel auf einmal. Später. Sie verlor den Faden. Sie musste sich auf das Hauptproblem konzentrieren.
Sie drehte sich um, zog die Schultern hoch und sah Denise in die Augen.
»Und was ist mit Tara Seidman?«
»Wer?«
»Tara Seidman.«
Jetzt sah Denise verwirrt drein. »Moment mal. War das nicht das kleine Mädchen, das in Kasselton entführt worden ist?«
Das Handy klingelte. Rachel sah auf das Display und erkannte Marcs Nummer. Sie wollte gerade die Annahme-Taste drücken, als ein Mann in ihr Gesichtsfeld trat. Ihr stockte der Atem. Denise merkte etwas und drehte sich um. Als sie den Mann sah, fuhr sie zurück.
Es war der Mann aus dem Park.
Er hatte riesige Hände, in denen die Pistole, die er auf Rachel gerichtet hatte, fast wie ein Spielzeug aussah. Er winkte ihr mit den Fingern zu. »Her mit dem Telefon.«
Rachel gab es ihm und versuchte, ihn dabei nicht zu berühren. Der Mann drückte ihr den Pistolenlauf an den Kopf. »Jetzt gib mir deine Pistole.«
Rachel griff in ihre Handtasche. Erforderte sie auf, die Pistole mit zwei Fingern hochzuheben. Sie gehorchte. Das Handy klingelte zum vierten Mal.
Der Mann drückte die Annahme-Taste und sagte: »Dr. Seidman?«
Rachel hörte Marcs überraschte Stimme. »Wer ist da?«
»Wir sind jetzt alle in Denise Vanechs Haus. Kommen Sie unbewaffnet und alleine her. Dann erzähle ich Ihnen von Ihrer Tochter.«
»Wo ist Rachel?«
»Sie ist bei uns. Sie haben eine halbe Stunde. Dann sage ich Ihnen, was Sie wissen müssen. Offenbar neigen Sie dazu, in solchen Situationen auf blöde Ideen zu kommen. Lassen Sie das diesmal lieber, sonst stirbt Ihre Freundin, Ms Mills, als Erste. Ist das klar?«
»Ja.«
Der Mann beendete das Telefonat. Er betrachtete Rachel. Er hatte braune Augen, die zur Mitte hin golden wurden. Sie wirkten
fast sanft. Rehaugen. Dann sah der große Mann Denise Vanech an. Sie zuckte zusammen. Ein Lächeln glitt über sein Gesicht.
Rachel sah, was er vorhatte.
Sie schrie »Nein!«, als der große Mann seine Pistole auf Denise Vanech richtete und drei Schüsse abgab. Alle drei trafen sie mitten in die Brust. Denise’ Körper erschlaffte. Sie rutschte von der Couch auf den Fußboden. Rachel wollte aufstehen, doch jetzt war die Pistole auf sie gerichtet.
»Sitzen bleiben.«
Rachel gehorchte. Denise Vanech war eindeutig tot. Ihre Augen standen offen. Ihr Blut lief herab, befremdlich rot in einem Meer von Weiß.
42
Und was nun?
Ich hatte Rachel angerufen, um ihr zu erzählen, dass Steven Bacard erschossen worden war. Jetzt hatte dieser Mann sie als Geisel genommen. Okay, was war jetzt mein nächster Schritt? Ich versuchte, darüber nachzudenken, die Fakten
Weitere Kostenlose Bücher