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Keine zweite Chance

Keine zweite Chance

Titel: Keine zweite Chance Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Coben
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Schulter und blieb plötzlich hängen. Sie blinzelte und ihr Ausdruck veränderte sich. »Marc?«
    »Ja.«
    Sie machte eine wegwerfende Geste. »Nein, kann gar nicht sein.«
    »Was?«
    Sie starrte immer noch über meine Schulter und deutete mit dem Kinn hinter mich. Ich drehte mich langsam um, und bei dem Anblick legte sich eine bleierne Schwere auf meine Brust.
    »Ich kenne sie nur von Bildern«, sagte Zia, »aber das ist doch …«
    Es gelang mir, zu nicken.
    Es war Rachel.
    Die Welt stürzte auf mich ein. So hätte es sich nicht anfühlen dürfen. Das war mir klar. Es war Jahre her, dass wir uns getrennt hatten. Nach so langer Zeit hätte ich ihr lächelnd entgegentreten müssen. Vielleicht hätte ich eine gewisse Wehmut verspüren dürfen, einen leichten Anflug von Nostalgie, eine melancholische Erinnerung an die Zeit, als ich noch jung und naiv gewesen war. Aber nichts davon geschah. Rachel war drei Meter von mir entfernt, und auf einen Schlag war alles wieder da. Mich erfasste eine viel zu starke Sehnsucht, ein Verlangen, das mich zu zerreißen drohte, das mich gleichzeitig mit neuer Liebe und tiefem Liebeskummer erfüllte.
    »Alles in Ordnung?«, fragte Zia.
    Wieder nickte ich.
    Gehören Sie zu den Menschen, die glauben, dass wir alle einen echten Seelenverwandten haben — die eine, große, schicksalsverbundene Liebe? Dort, drei Stop-n-Shop-Kassenschlangen weiter,
unter dem Schild EXPRESSKASSE — 15 ARTIKEL ODER WENIGER, stand meine.
    Zia sagte: »Ich dachte, sie wäre verheiratet.«
    »Ist sie auch«, erwiderte ich.
    »Kein Ring.« Dann boxte Zia mir gegen den Arm. »Aufregend, was?«
    »Ja«, sagte ich. »Aber hallo.«
    Zia schnippte mit den Fingern. »Hey, weißt du, wie das ist? Wie auf diesem komischen alten Album, das du immer gespielt hast. Das Stück, wo der eine seine alte Liebe im Lebensmittelladen trifft. Wie heißt das noch?«
    Als ich Rachel mit neunzehn Jahren zum ersten Mal gesehen hatte, war das Ganze relativ unspektakulär abgelaufen. Es hatte keinen großen Knall gegeben. Ich weiß nicht einmal mehr, ob ich sie besonders hübsch fand. Doch wie ich bald feststellen sollte, mag ich Frauen, an deren Aussehen man etwas langsamer Gefallen findet. Erst denkt man, okay, die sieht ja ziemlich gut aus, und dann, ein paar Tage später, sagt sie etwas, oder sie legt beim Sprechen den Kopf schief, und dann, peng, ist es, als wäre man vor einen Bus gelaufen.
    Genauso fühlte ich mich jetzt. Rachel hatte sich nicht sehr verändert. Die Jahre hatten ihre listige Schönheit vielleicht etwas strenger, etwas spröder und kantiger gemacht. Sie war dünner. Ihr dunkles, blau-schwarzes Haar war zurückgekämmt und zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden. Den meisten Männern gefällt es am besten, wenn die Haare offen getragen werden. Ich mochte zurückgekämmte Haare schon immer lieber — weil alles etwas freier liegt, denke ich, besonders wenn es sich um Rachels Wangenknochen und ihren Hals handelte. Sie trug Jeans und eine graue Bluse. Der Blick ihrer haselnussbraunen Augen war zu Boden gerichtet, ihr Kopf in jener konzentrierten Haltung gesenkt, die ich von ihr so gut kannte. Sie hatte mich noch nicht gesehen.

    »Same Old Lang Syne «, sagte Zia.
    »Was?«
    »Das ist das Lied über das Paar im Lebensmittelladen. Von Dan Irgendwas. Das ist der Titel. Same Old Lang Syne .« Dann fügte sie hinzu: »Glaub ich jedenfalls.«
    Rachel griff in ihr Portemonnaie und zog einen Zwanziger heraus. Sie reichte ihn der Kassiererin. Sie blickte auf — und dann sah sie mich.
    Ich kann nicht genau sagen, wie sich ihr Gesichtsausdruck veränderte. Sie wirkte nicht überrascht. Unsere Blicke begegneten sich, aber in ihrem schien keine Freude zu liegen. Vielleicht Angst. Vielleicht Resignation. Ich weiß es nicht. Ich kann auch nicht sagen, wie lange wir beide so dastanden.
    »Ich sollte wohl auf Distanz gehen«, flüsterte Zia.
    »Hm?«
    »Wenn sie dich mit so einer heißen Braut sieht, denkt sie, dass sie keine Chance hat.«
    Ich glaube, ich lächelte.
    »Marc?«
    »Ja.«
    »Wenn du so dastehst, mit offenem Mund und diesem Blick wie frisch aus der Klapsmühle, dann machst du mir ein bisschen Angst.«
    »Danke.«
    Ich spürte, wie sie mich in den Rücken stieß. »Geh zu ihr rüber und sag Hallo.«
    Meine Füße setzten sich in Bewegung, obwohl ich mich nicht erinnern kann, dass mein Hirn irgendwelche Befehle gegeben hätte. Rachel wartete, bis die Kassiererin ihre Lebensmittel eingetütet hatte. Dann kam sie auf mich zu

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