Keine zweite Chance
anderen Frau — ein One-Night-Stand mit einer faden College-Studentin vom Babson. Es hat mir absolut nichts bedeutet. Ich weiß, dass es das eigentlich nicht besser macht, aber vielleicht doch. Keine Ahnung.
Egal, auf jeden Fall erzählte jemand von der Party jemand anderem davon, bis es schließlich auch Rachel zu Ohren kam. Sie rief aus Italien an und machte Schluss — einfach so –, was ich für eine Überreaktion hielt. Wie gesagt, wir waren jung. Zu Anfang war ich zu stolz (will sagen zu dumm), um Verzeihung zu flehen, und als mir dann die Folgen bewusst wurden, versuchte ich, sie anzurufen, schrieb Briefe und schickte Blumen. Rachel antwortete nicht. Es war aus. Mit uns war es vorbei.
Ich stand auf und schwankte zum Schreibtisch. Dort pulte ich den Schlüssel ab, den ich mit Klebeband darunter befestigt hatte,
und schloss die unterste Schublade auf. Ich nahm die Akten heraus und stieß auf mein geheimes Versteck. Keine Drogen. Die Vergangenheit. Rachelkram. Ich fand das altbekannte Foto und hielt es ins Licht. Lenny und Cheryl haben dieses Bild immer noch im Wohnzimmer hängen, was Monica naturgemäß unsäglich geärgert hat. Es war ein Foto von uns vieren — Lenny, Cheryl, Rachel und mir — bei einem offiziellen Empfang der Universität in meinem letzten Collegejahr. Rachel trug ein schwarzes Kleid mit Spaghettiträgern, und wenn ich daran denke, wie es sich an ihren Körper schmiegte, verschlägt es mir noch heute den Atem.
Das ist lange her.
Natürlich ging das Leben weiter. Wie es meine Lebensplanung vorsah, studierte ich Medizin. Ich wusste schon immer, dass ich Arzt werden wollte. Die meisten meiner Kollegen würden Ihnen etwas Ähnliches erzählen. Unter uns gibt es nur wenige Spätberufene.
Und ich ging weiter mit Frauen aus. Ich hatte sogar weitere One-Night-Stands (Zia zum Beispiel), doch — und das klingt jetzt ziemlich weinerlich — nach all diesen Jahren vergeht kein Tag, an dem ich nicht zumindest flüchtig an Rachel denke. Ja, ich weiß, dass ich diese Beziehung ganz unverhältnismäßig verkläre. Selbst wenn ich diesen verhängnisvollen Bock nicht geschossen hätte, würde ich trotzdem wohl kaum in einem glücklichen Paralleluniversum vereint mit meiner Geliebten auf der Couch liegen. Lenny hatte mir in einem Augenblick radikaler Wahrheit erklärt, dass unsere Beziehung, wenn sie wirklich so großartig gewesen wäre, dieses ausgefahrenste aller Schlaglöcher ohne weiteres verkraftet hätte.
Heißt das, ich habe meine Frau nie geliebt? Nein. Glaube ich jedenfalls nicht. Monica war schön — und zwar auf den ersten Blick, man brauchte keine Zeit, um an ihrem Aussehen Gefallen zu finden –, heißblütig und außergewöhnlich. Außerdem war sie
wohlhabend und elegant. Ich habe versucht, keine Vergleiche anzustellen — es ist schrecklich, so zu leben –, aber in meiner kleineren, weniger hellen Welt nach Rachel habe ich Monica geliebt.
Hätte ich mehr Zeit gehabt und wäre bei Rachel geblieben, wäre womöglich dasselbe passiert — aber das sind logische Erwägungen, und bei Herzensangelegenheiten hat Logik nichts zu melden.
Cheryl hielt mich widerstrebend über Rachels Werdegang auf dem Laufenden. So erfuhr ich, dass sie unter die Gesetzeshüter gegangen und in Washington FBI-Agentin geworden war. Mich überraschte das nicht. Vor drei Jahren hatte Cheryl mir erzählt, dass Rachel einen älteren, hochrangigen Agenten geheiratet habe. Obwohl so viel Zeit vergangen war — unsere Trennung lag damals elf Jahre zurück –, brach etwas in mir zusammen. Mit einem Schlag wurde mir klar, in welchem Maße ich mein Leben verpfuscht hatte. Irgendwie war ich immer davon ausgegangen, dass Rachel und ich nur abwarteten, in einer Art Zeitblase weiterlebten, bis wir irgendwann zur Besinnung kommen und wieder zusammenfinden würden. Jetzt hatte sie einen anderen geheiratet.
Cheryl sah mein Gesicht und erzählte von diesem Augenblick an kein Wort mehr von Rachel.
Ich starrte auf das Bild und hörte, wie der wohlbekannte Geländewagen vorfuhr. Das war zu erwarten gewesen. Ich ging gar nicht erst zur Tür. Lenny hatte einen Schlüssel. Er klopfte sowieso nie an. Er würde mich schon finden. Ich war gerade dabei, die Fotos wieder zu verstauen, als Lenny mit zwei riesigen, bunten Pappbechern hereinkam.
Lenny hielt sie hoch. »Cherry Coke oder normal?«
»Cherry.«
Er reichte mir den Becher. Ich wartete.
»Zia hat Cheryl angerufen«, erläuterte er.
Das hatte ich mir schon gedacht. »Ich
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