Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Keine zweite Chance

Keine zweite Chance

Titel: Keine zweite Chance Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Coben
Vom Netzwerk:
und versuchte zu lächeln. Ihr Lächeln war immer atemberaubend gewesen, eines, bei dem man an Poesie und Frühlingsschauer denken musste, so
überwältigend, dass es einem den ganzen Tag versüßen konnte. Dieses Lächeln war allerdings anders. Es war angespannt. Es war gequält.
    Und ich fragte mich, ob sie sich zurückhielt oder ob sie nicht mehr so lächeln konnte wie früher, ob das Strahlen dauerhaft getrübt worden war.
    Etwa einen Meter voneinander entfernt blieben wir stehen, wussten beide nicht, ob jetzt eine Umarmung, ein Kuss oder ein Händeschütteln angemessen gewesen wäre. Also taten wir nichts von alledem. Ich stand einfach nur da und spürte, wie mir alles wehtat.
    »Hi«, sagte ich.
    »Schön zu wissen, dass du immer noch die coolen Sprüche draufhast«, entgegnete Rachel.
    Ich setzte ein kesses Grinsen auf. »Hey, Baby, welches Sternzeichen bist du?«
    »Schon besser«, sagte sie.
    »Bist du oft hier?«
    »Gut. Und jetzt sag: Kennen wir uns nicht irgendwoher? «
    »Läuft nicht.« Ich hob eine Augenbraue. »’ne heiße Lady wie dich würd’ ich niemals vergessen.«
    Wir lachten. Wir gaben uns beide viel zu viel Mühe, locker zu wirken. Und es war uns beiden klar.
    »Gut siehst du aus«, sagte ich.
    »Du auch.«
    Kurzes Schweigen.
    »Okay«, sagte ich. »Ich hab keine peinlichen Klischees und keine gezwungenen Scherze mehr auf Lager.«
    »Ein Glück«, sagte Rachel.
    »Was machst du hier?«
    »Ich kaufe ein.«
    »Nein, ich meine …«

    »Ich weiß schon, was du meinst«, unterbrach sie mich. »Meine Mutter ist nach West Orange gezogen.«
    Ein paar Strähnen waren dem Pferdeschwanz entwischt und fielen ihr ins Gesicht. Ich musste mich mit aller Macht zusammenreißen, um sie nicht zur Seite zu schieben.
    Rachel sah kurz zur Seite und schaute mir dann in die Augen. »Ich hab das von deiner Frau und deiner Tochter gehört«, sagte sie. »Es tut mir Leid.«
    »Danke.«
    »Ich wollte dich anrufen oder schreiben, aber …«
    »Ich habe gehört, dass du verheiratet bist«, sagte ich.
    Sie wackelte mit den Fingern der linken Hand. »Nicht mehr.«
    »Und dass du beim FBI bist.«
    Rachel senkte die Hand. »Das ist auch vorbei.«
    Wieder schwiegen wir. Und wieder weiß ich nicht, wie lange wir so dastanden. Die Kassiererin hatte sich dem nächsten Kunden zugewandt. Zia erschien hinter uns. Sie räusperte sich und streckte Rachel die Hand entgegen. »Hi, ich bin Zia Leroux«, sagte sie.
    »Rachel Mills.«
    »Nett, Sie kennen zu lernen, Rachel. Ich bin Marcs Kollegin.« Nach einer kurzen Pause fügte sie hinzu: »Wir sind nur Freunde.«
    »Zia«, sagte ich.
    »Oh, klar, tut mir Leid. Hören Sie, Rachel, ich würde mich gern mit Ihnen unterhalten, aber ich muss los.« Um ihre Aussage zu bekräftigen, deutete sie mit dem Daumen in Richtung Ausgang. »Sie können ja noch ein bisschen reden, okay? Marc, ich hol dich hier nachher wieder ab. War nett, Sie kennen zu lernen, Rachel.«
    »Danke, gleichfalls.«
    Zia verschwand. Ich zuckte die Achseln. »Sie ist eine tolle Ärztin.«

    »Kann ich mir vorstellen.« Rachel packte ihren Einkaufswagen. »Im Auto wartet jemand auf mich, Marc. War schön, dich zu sehen.«
    »Fand ich auch.« Aber nach all dem, was ich verloren hatte, musste ich doch wohl auch irgendetwas dazugelernt haben, oder? Ich konnte sie nicht einfach gehen lassen. Ich räusperte mich und sagte: »Vielleicht sollten wir uns mal treffen.«
    »Ich wohne noch in Washington. Ich fahre morgen zurück.«
    Schweigen. In mir zog sich alles zusammen. Ich atmete flach.
    »Mach’s gut, Marc«, sagte Rachel. Aber ihre haselnussbraunen Augen waren feucht.
    »Geh noch nicht.«
    Vergeblich versuchte ich das Flehen in meiner Stimme zu unterdrücken. Rachel sah mich an und wusste alles. »Was soll ich jetzt sagen, Marc?«
    »Dass du dich mit mir treffen willst.«
    »Das ist alles?«
    Ich schüttelte den Kopf. »Nein, das ist nicht alles.«
    »Ich bin keine einundzwanzig mehr.«
    »Ich auch nicht.«
    »Die Frau, die du geliebt hast, gibt es nicht mehr.«
    »Doch«, wiedersprach ich. »Sie steht direkt vor mir.«
    »Du kennst mich doch gar nicht mehr.«
    »Dann lernen wir uns eben wieder neu kennen. Ich hab keine Eile.«
    »Einfach so?«
    Ich versuchte zu lächeln. »Ja.«
    »Ich lebe in Washington. Du in New Jersey.«
    »Dann ziehe ich um«, sagte ich.
    Doch noch ehe ich diese ungestümen Worte ausgesprochen hatte, noch ehe Rachel das Gesicht verzog, erkannte ich meinen eigenen Übermut. Ich konnte weder meine Eltern

Weitere Kostenlose Bücher