Keinen Plan, ein Paar Socken und 1000 km vor sich...
doch
ansatzweise gereinigt. Die Sorge um Blasen an den Füßen durch die in den
Schuhen gleitenden Socken, ist jedoch größer als die Erleichterung der anderen
um die Tatsache, dass auch meine Socken frisch riechen könnten. Eines der
Dinge, die ich auf dem Weg gelernt habe: Es gibt wirklich vertrauenswürdige
Priester, denen ich vieles glaube. Aber das Wetter ist nicht ihr Business –
ganz klar!
Wir hatten eigentlich noch vor, weiter zu laufen, aber mit
solch durchnässten Schuhen fehlt jegliche Motivation. So steigen wir in der
nächsten Herberge ab und treffen dort – selig grinsend und knochentrocken –
Nick, Bea und Catia. Die Herberge hat zwei Highlights zu bieten: einen
Swimmingpool und eine deutsche Hospitalera auf ABBA-Trip. Sie hört durchgehend
eine Shuffleliste von sage und schreibe sieben Liedern. Jedes Mal, wenn ihr
Büro offen ist, dürfen auch wir daran teilhaben. DANKE! Ich weiß bis heute
nicht, ob ihr Rechner, von dem sie die Lieder abgespielt hat, nicht mehr
hergab, oder ob es ihre unangefochtenen Lieblingslieder waren. Ich versuche
eher, Abstand zwischen mich und das Büro zu bringen. Eines hab ich mir
geschworen: Ich habe ja schon gar keine Musik dabei, aber wenn, dann wäre das
letzte auf diesem Weg, was ich noch mal hören möchte, schwedischer Pop.
31.05.: Calzadilla de la Cueza – Calzadilla de los
Hermanillos (37,4km)
Es bildet sich an diesem Morgen eine Gruppe um Alex
(Brasilien), Andreas (Finnland), Bea, Catia (beide Deutschland), Sandy (USA)
und mir. Rückblickend muss ich sagen, dass dies der Anfang unserer
„Camino-family“ war. Wir wandern gemeinsam zum zweiten Frühstück. Ich bin wie
immer auf der Suche nach einem Neapolitaner … geben tut es das in diesem
Etablissement nicht. Aber Sandy tut seinerseits sein Bestes und fordert es
wiederholt bei der guten Seele des Hauses ein. Mich wundert es noch, wie sie
nach kurzem Hin und Her einlenkt . Sie hat zwar kein Neapolitaner … nein, aber
pan con chocolate … wir hätten hellhörig werden sollen. Sie bringt uns mit
einem Grinsen, das die Ausmaße des Äquators besitzt, in Scheiben geschnittenes
Baguette und eine Tafel Schokolade.
An diesem Tag erreichen wir Sahagún. Die Hälfte der Strecke
nach Santiago ist nun erreicht. Es ist Zeit, die Flasche Cilantro, die ich seit
dem 21.05. mit mir rumschleppe, zu öffnen und auf unsere Halbzeit zu trinken.
Sandy und ich sind an diesem Tage noch fit und entscheiden, weiter zu gehen.
Die anderen bleiben in Sahagún. So laufen wir beide nach einer Mittagspause
weiter, mit dem Wissen, dass es nun ein langer Tag werden wird.
Wir haben noch 14 Kilometer vor uns und schon 3:00 Uhr
durch. Als wir um halb sieben die im Reiseführer beschriebene Quelle finden,
die kurz vor unserem heutigen Tagesziel liegt, machen wir ein letztes Mal Rast
und genehmigen uns einen letzten Schluck aus der „Pulle“. Danach sind die müden
Beine auch nur noch halb so schwer. Im Örtchen angekommen treffen wir Martin,
der heute Morgen zu einer absolut unchristlichen Zeit aufgebrochen ist, um ein
paar verloren gegangene Leute einzuholen. Natürlich können wir unser Mundwerk
nicht halten und lästern über unseren Frühaufsteher, der ohne auf Wiedersehen
zu sagen, gegangen ist, uns aber doch nicht entkommen konnte. Ich bin
allerdings auch froh, dass ich zu dem Zeitpunkt in keinen Spiegel gucken muss …
das Bild wäre äußerst bescheiden, so kaputt wie ich bin. Wir gehen ungeduscht
zum Essen und lernen Sherley und Merve aus Neuseeland kennen, und ich treffe Jacqueline
(Österreich) aus San Bol, dem Kleinod an Herberge, wieder. Die Pilgerwelt ist
klein! Nach dem Essen – ich kann an diesem Abend dem schnellen Gespräch und dem
trockenen Humor von Merve nicht mehr folgen – fallen Sandy und ich todmüde ins
Bett. Es war ein großartiger Tag!
01.06.: Calzadilla de los Hermanillos – Mansilla de las
Mullas (25,1km)
Wir werden an diesem Morgen vom Frühstücksgelächter der
anwesenden Damen geweckt. Aufenthalts- und Schlafraum sind nicht wirklich
getrennt. Trotzdem ein großes Lob an die Zurückhaltung der Menschen ohne
Y-Chromosom. Was soll‘s, da steht Mann doch gerne auf! Das neuseeländische
Pärchen von gestern Abend ist ebenfalls schwer begeistert, von Martin, der
heute wieder von seinem Frühaufstehertrip runter ist, ganz zu schweigen. Das
Frühstück ist spartanisch und uns ist klar, die Etappe, die auf den ersten 18
km keine Einkehrmöglichkeit bietet, ist ohne weitere Verpflegung nicht zu
schaffen.
Weitere Kostenlose Bücher