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Keinen Plan, ein Paar Socken und 1000 km vor sich...

Keinen Plan, ein Paar Socken und 1000 km vor sich...

Titel: Keinen Plan, ein Paar Socken und 1000 km vor sich... Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Sedlacek
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Gestern Abend waren wir zu müde zum Einkaufen, der kleine Laden gemäß
Auskunft des Hospitaleros ist heute um die Uhrzeit noch geschlossen. Ich suche
ihn trotzdem auf, erkenne lediglich an den davor stehenden Kisten, dass es sich
um ein Geschäft handelt. Aber er ist wie versprochen geschlossen. Auf Anraten
eines Dorfbewohners soll ich einfach klopfen, das wäre schon in Ordnung. Ich
habe noch nie an einem nach Wohnhaus aussehenden Geschäft um kurz vor 8:00 Uhr
geklopft, um vielleicht doch etwas aus einem eigentlich geschlossenen Geschäft
zu kaufen. Bei der Vorstellung, was mir bei solch einem Versuch in Deutschland
entgegen springen würde, bin ich gespannt. Im Rheinland würde mir wohl
bestenfalls ein Vogel gezeigt, je nachdem auch mehr. Die Tür öffnet sich und
ein älterer Herr mit verschlafenem Gesicht und einer Art Bademantel versucht, meine
Spanischbrocken neu zu ordnen und für sich grammatikalisch zu einem Sinn zu
bringen. Es klappt, er bittet mich herein und ich bekomme alles, was man für
ein Picknick auf dem Weg braucht.
    Nach knapp zwei Stunden des Wanderns holt uns Jacqueline
ein. Sie hat ein ganz ordentliches Tempo drauf, erzählt, dass Martin noch ein
ganzes Stück hinter ihr ist. Wir gehen zusammen über einen weiteren Teil einer
alten romanischen Straße. Für meine Füße ist der Weg anstrengend, da die ganze
Strecke mit großen Steinen befestigt ist und die Fußsohlen stark beansprucht
werden. So bin ich dann auch froh, als wir nach unserem mittäglichen Picknick,
zu dem Jacqueline erhebliches Equipment beisteuert, eine weitere Pause in einer
Bar einlegen und noch ein Bocadillo vertilgen. Danach bestimmt Jacqueline das
Tempo und macht zu ihrem Unmut – nach Aussage Sandy‘s – als Österreicherin die
„German Pace“. Das kann sie verständlicherweise nicht unkommentiert lassen.
Ergo: Heute sind wir zum ersten Mal „Austrian Pace“ gelaufen. Das ist zwar
schnell, aber der Begriff ist mit Verlaub nicht alltagstauglich.
    Wir verwenden daher weiter alt Einhergebrachtes und bleiben
bei der „German Pace“ als Inbegriff für Schnelligkeit. Nach Aussagen manches
Pilgers ist Marschieren in Deutschland so eine Art Volkssport, genau wie
Lederhosen zu uns gehören, Kuckucksuhren und Schwarzwälder Kirschtorte. Es
fehlt eigentlich nur noch, dass man uns die Sachertorte zuspricht. Das wäre
dann ein weiterer Schlag ins Gesicht der Österreicher. In Mansilla de las
Mullas angekommen, bin ich auch nach den wenigen Kilometern wirklich platt. Der
gestrige Tag steckt noch in den Knochen. An der Herberge trennen wir uns von
Jacqueline. Sie möchte noch einen Ort weiter, wir lediglich sitzen. In der
Herberge – die Hospitalera hat Siesta – werden wir von Merve dankenswerterweise
zu den freien Betten geführt. Alex, unser Brasilianer, hat noch eine
Überraschung für uns, als er uns sieht. Er hatte nach dem Desaster mit unserer
„Tafel Schokolade auf Brot“ noch irgendwo eingeschweißte Neapolitaner aus einem
Supermarkt besorgt. Zu viele für ihn allein, also verschenkt er seine beiden
letzten freigiebig an uns. Vielen Dank Alex! Ich bin wirklich kaputt, lege mich
nachmittags hin, werde aber auch abends nicht mehr fit. Wir gehen mit Martin,
der auch wieder auftaucht, Joy aus Kanada und einem australischen Pärchen
(Aloise und Tom) essen.
    Joy kennen wir von einer Begegnung der besonderen Art auf
dem Weg nach Santa Domingo. Sandy singt im Verlauf der Wanderung mehrmals den
Lumberjacksong von Monty Python, als Persiflage auf die kanadische Bevölkerung.
Soweit so gut. Als wir auf besagter Strecke nach Santa Domingo nun die kanadische
Flagge an Joy‘s Rucksack sehen sprechen wir sie an. Das Gespräch zwischen den
beiden wird kurz zu schnell für mich und ich kann nur halb folgen. Bei der
Frage ob wir nicht die „national anthem“ von Kanada singen wollen, deute ich
die Vokabel völlig falsch und fange sehr zu Begeisterung Sandy‘s mit dem „Lumberjacksong“
anstatt mit der Nationalhymne an. Joy steht gewissermaßen das Entsetzen über
diese Dreistigkeit ins Gesicht geschrieben. Nun ja, ein Missverständnis, was
mich seitdem ins Gedächtnis gebrannt hat, und infolge des weiteren Weges wohl
auch ins Herz geschlossen. Zurück zum Abendessen: Auch an diesem Abend bin ich
einfach zu fertig, um den Gesprächen zwischen den „native speakern“ vollends zu
folgen. Insbesondere Tom, der Australier, nuschelt zu allem Überfluss noch. Ich
habe diesmal keine Chance, mich wirklich an der Unterhaltung zu

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