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Keinen Plan, ein Paar Socken und 1000 km vor sich...

Keinen Plan, ein Paar Socken und 1000 km vor sich...

Titel: Keinen Plan, ein Paar Socken und 1000 km vor sich... Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Sedlacek
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allem Überfluss auch noch einen Anruf aus Brasilien, der ihn für die
nächsten Stunden erst einmal nachdenklich stimmt. Diesen Anruf in Kombination
mit der schimpfenden Frau der Herberge am freien Ohr, wäre ein gutes
Trainingsbeispiel für jedes Stressseminar. Ich habe keine Ahnung, warum die
Frau uns im wahrsten Sinne des Wortes mit jener Aggressivität behandelt hat. Ob
andere Pilger und ihr Benehmen in der Vergangenheit dafür gesorgt haben, oder
ob sie einfach einen schlechten Tag hatte. Es hätte sie auf jeden Fall weitaus
weniger Kraft gekostet, uns in vernünftigem Ton zu sagen, dass wir doch bitte
die Herberge pünktlich verlassen müssen. Etwas an das ich mich hoffentlich
erinnere, wenn ich aus welcher Situation auch immer heraus, einmal kurz vor dem
Explodieren stehe. Eigentlich ist es vergeudete Kraft.
    Nikki ist an diesem Morgen ohne Frühstück los – sie braucht
Zeit zum Nachdenken. Wir gehen also mit den Restlichen (Alex, Catia, Annina,
Andreas und ich) los und sind um halb zwölf in Melide. Sandy und Jacqueline
sitzen vor einer Bar und lassen es sich gut gehen. Wir sammeln sie ein und machen
100 Meter weiter unsere Mittagspause in einem kleinen Restaurant. Es gibt keine
Menüs … wir bestellen „a la carte“. Ich entscheide mich für eine Spezialität
der Region; eine galegische Gemüsesuppe. Sandy bietet mir auch noch die Hälfte
seines Salates an. So gestärkt ziehen wir weiter. Es ist schön, Sandy wieder
dabei zu haben … Nikki haben wir bis jetzt nicht gesehen. Immer, wenn es
scheint, dass alle zusammen kommen, passiert irgendetwas und einer fehlt doch.
Ich merke, wie es mir nach dem Essen zunehmend schlechtergeht. Ich halte das
Tempo der anderen heute nicht. Alex und ich fallen zurück. Dieses Mal ist er
es, der mich nach vorne treibt. Ich habe nicht ein einziges Mal den Weg in
Frage gestellt, oder darüber nachgedacht abzubrechen oder den Bus zu nehmen.
Aber heute zweifle ich daran, das Tagesziel zu erreichen. So ist es Alex, der
für mich das Tempo macht und an dessen „Geh-Takt“ ich mich richten kann. Die
kleine Pause, vor der ich den absoluten Tiefpunkt meiner körperlichen
Leistungsfähigkeit des ganzen Weges erlebe, bringt mich nach zwei Cola
zumindest wieder soweit in die Spur, dass ich weiter gehen will. Lieber heute
schnell zu Ende bringen und hoffen, dass ich morgen wieder der Alte bin. Die
anderen treffen Alex und ich an einer Brücke vor einer Herberge. Catia möchte
heute hier bleiben und morgen langsam weitergehen, um Bea die Chance zu geben,
sie einzuholen. Somit steht eigentlich fest, dass wir getrennt Santiago
erreichen werden. Kein schöner Augenblick, aber ich bin heute nicht in der
Lage, über irgendwas nachzudenken. Die Pause vor der Herberge geht mir auch zu
lange. Ich habe nur das Bedürfnis heiß zu duschen und ins Bett zu gehen. So
lassen wir Catia an diesem doch schönen Ort und gehen die letzten Kilometer
nach Arzua. Beim „Einmarsch“ in die Stadt treffen wir diverse bekannte
Gesichter. Jedes Mal ein kurzer Informationsaustausch und jedes Mal merke ich,
dass ich nur genervt und bettreif bin. Ich gehe vor und konzentriere mich auf
unser eigentliches Ziel, genügend Betten für sechs Personen finden, bei
gleichzeitigem Vorhandensein einer Küche! Die anderen wollen heute Abend
kochen. Der dritte Anlauf gelingt. Mit 10 Euro nicht die günstigste
Alternative, aber immerhin ist sie da. Die anderen teilen mir mit, dass ich
mich gefälligst nur zu duschen und danach bis zum Essen im Bett zu liegen und
zu schlafen habe. Ich soll Ihnen meine Wäsche geben und würde zum Essen geweckt
werden. „Zu Befehl!“ Ich dusche eine halbe Stunde so heiß ich kann, verabreiche
mir 600 mg Ibuprofen, nehme dankend die große Tasse heißen Tee entgegen, den
Annina in Zusammenarbeit mit einer fremdem Pilgerin irgendwo hergezaubert hat
und lege mich schlafen. Aber nicht ohne, dass ich noch in zwei weitere Decken
zum Schwitzen eingewickelt werde. Bis zum Abendessen macht mir Jacqueline noch
eine Tasse Erkältungstee. Ich muss mich heute um wirklich gar nichts kümmern,
stehe nur zum Abendessen auf und genieße das Mahl. Pünktlich zum Essen taucht
Nikki auf, die alle Herbergen nach uns abgesucht hat und nun doch fündig
geworden ist. Sie setzt sich zu uns und leistet uns Gesellschaft. Schön, sie
wiederzusehen. Nur Catia fehlt heute.
    Sandy teilt mir kurz vor zu-Bett-gehen mit, dass er morgen
direkt durch nach Santiago gehen wird – 41,1 Kilometer. Er schickt sein Gepäck
voraus

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