Keinen Plan, ein Paar Socken und 1000 km vor sich...
vor der Kathedrale und dann
ist Schluss. Ich stehe da und gucke aller Wahrscheinlichkeit nach wie eine Kuh,
wenn‘s donnert. „Das war‘s jetzt? Kein letzter Pfeil, keine Muschel, nur die
olle Kathedrale? Ich fühle mich um meinen Empfang, wie er von Hape in seinen
Reiseerlebnissen angekündigt wird, betrogen. Sandy lächelt nur und sagt:
„Warte, wenn Du den Credential hast, wird es besser“. Da war doch was mit den
Wettervorhersagen … Nein, auch mit der Aushändigung des Credentials komme ich
mir immer noch völlig unspektakulär vor. Da waren die Wettkämpfe früher von
mehr Emotionen geprägt, sehr viel mehr. Ich weiß nicht, was ich erwartet habe,
aber es ist ein wirklich nüchternes Gefühl. Erst später sagt Annina genau die
richtigen Worte: Der Empfang, den Santiago jedem bereitet, war in unserem Fall
das gemeinsame Erreichen mit den Leuten, die schon vorher angekommen sind – als
gemeinsame Familie, eine Einheit, Gemeinschaft, wie sie so oft in den
Versicherungswerbungen angepriesen werden!
Das einzige Problem, das wir haben, ist, dass die
Ausfertigung unserer Credentials so lange gedauert hat, dass die Messe schon
seit einer viertel Stunde dran ist. Wir gehen trotzdem rein, fallen bei den
ganzen umherwandernden Touristen auch gar nicht weiter auf und stellen uns,
nachdem wir jede Menge bekannte Gesichter in den Bänken gesehen haben, ganz
nach hinten ins Seitenschiff. Gut, von der Messe verstehe ich aufgrund
mangelnder Spanischkenntnisse nicht viel. Das was im Kopf bleibt ist der kleine
Messdiener oder auch Schweizer, der immer wieder den Leuten das Fotografieren
verbietet. Als der riesige Weihrauchkelch geschwenkt wird, hat er allerdings
keine Chance, die ca. 6 Millionen Handy- und Digitalkameras verschießen ein
Blitzlichtgewitter. Das für mich wirklich Wichtige passiert allerdings nach der
Kommunion. Wir stellen uns eingehakt nebeneinander in einer Reihe. Acht Leute
wie eine Mauer … zumindest gehen die anderen Menschen außen vorbei, keiner
versucht auch nur zwischen uns durch zu gehen. Ein wirklich emotionaler Moment.
Für mich einer der wichtigsten des Weges. Es war anscheinend als Außenstehender
sehr gut erkennbar. Mich sprechen nachher Pilger an und sagen, dass es für sie
sehr ergreifend ausgesehen hat, als könnte nichts uns trennen.
Im Anschluss machen wir unsere Tourirunde durch die Kirche,
umarmen, wie es sich gehört, Apostel Jakobus von hinten und sind immer noch
baff infolge des riesigen Weihrauchkelches, den die sechs Geistlichen durch das
ganze Längsschiff „gejagt“ haben. Ich möchte nicht erleben, wenn das Seil reißt
– ganz ehrlich! Nach der Messe gehen wir zu unserem Hostel. Jacqueline hat es
tatsächlich geschafft, noch ein Zimmer für uns zu reservieren. Eine
Italienerin, aber auch Hannes hängen sich an unser Grüppchen und bekommen genau
wie Catia, die kurzerhand aus ihrem schrecklichen Hostel ausgecheckt hat, noch
Platz in unserem Zimmer. Jut, ich hätte auf Hannes verzichten können,
andererseits lässt er mich in Ruhe und ich muss ja auch keine Unterhaltung mit
ihm führen. Letzten Endes ist es mir wurscht! Wir benötigen keine Schlafsäcke,
beziehen die Betten frisch und Alex und ich gehen in die City, um
Vorbereitungen für Finisterre zu treffen und für mich einen Flug nach Köln zu buchen.
Im ersten empfohlenen Reisebüro bekomme ich ungefähr die gleiche Unterstützung,
als wenn ich in meinem eigenen Büro auf der Feuerwache anrufe und einen Döner
bestelle. Die Dame spricht kein Englisch, hat nur überteuerte Flüge, kann keine
Auskunft zur Bahn machen und wirkt insgesamt eher wie ein guter preußischer
Beamter zwischen Frühstück und Mittagpause – müde! Im zweiten Reisebüro wird es
besser. Ich begreife, dass ich keinen günstigen Flug nach Deutschland bekommen
werde, aber mich immer noch gute 150 Euro günstiger stehe, als im ersten
Reisebüro. Ich buche flott und gehe dann mit Alex zum Dönermann. Eine
Entscheidung, die ich noch bereuen sollte, auch wenn der Dönermensch nichts
dafür kann. Mein Magen mag die Nahrungsaufnahme gar nicht vertragen und meckert
seitdem stetig.
Zurück im Hostel „schmeiße“ ich mir zwei Immodium akut ein.
Ich denke noch … „Na, wie in der Werbung – Nehmen und gut!“ Mein Magen meckert
und rumort weiter, aber was soll‘s, so schlimm ist es ja nicht. Ich mache mich
nach einem Nickerchen für das Abendessen fertig. Heute Abend kommen außer den
üblichen acht Verdächtigen noch Sandy‘s Sohn mit seiner
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