Keiner flirtet so wie du
Sandwiches ernährt und in einem Schuppen geschlafen – Hectors Schuppen, wie sich herausstellte. Und wenn der gutmütige Mann damals nicht gerade um seinen einzigen Sohn getrauert hätte, wer weiß, was aus ihr geworden wäre.
„Alles in Ordnung?“
Sie blinzelte die Erinnerungen fort und nickte Luca, der besorgt die Stirn runzelte, beruhigend zu. „Ja, ich bin nur hungrig.“
Sie bot ihm die Tüte mit Anisbonbons an, bevor sie sich selbst einen in den Mund steckte. „Lass uns zurückfahren, damit ich mir die Vorverkaufszahlen für die Konzerte ansehen kann.“
Luca drang nicht weiter in sie, doch sie bemerkte seine forschenden Blicke auf dem Weg zum Parkplatz, und nachdem sie sich hinter das Steuer gesetzt hatte, holte sie tief Luft. „Hör auf, mich so anzusehen.“
„Wie anzusehen?“
„Als würde es dich interessieren.“
Das Dauerlächeln verschwand von seinen Lippen. „Wer sagt, dass es das nicht tut?“
Unbändige Wut stieg in ihr auf – Wut auf ihre Mutter, auf ihre Erinnerungen, auf ihre Gefühle für Luca –, und sie schlug mit den Handflächen auf das Lenkrad. „Verschone mich. Männer wie du haben keine Gefühle.“
Für eine Sekunde hätte sie schwören können, dass sie Schmerz in seinen tiefblauen Augen aufflackern sah.
„Das ist übertrieben“, sagte er beschwichtigend.
„Ach ja?“ Sie hatte keine Lust mehr auf irgendwelche Spielchen. Vierzehn Tage musste sie durchhalten, und sie hatte nicht vor, sich von seinem Charme einwickeln zu lassen. „Korrigiere mich, wenn ich mich irre, aber das vorhin war ein schöner Moment zwischen uns. Und wie hast du reagiert? Du hast schneller einen Rückzieher gemacht, als ich gucken konnte. Wie gesagt, keine Gefühle.“
Er biss die Zähne zusammen, dann ließ er sich entspannt in den Beifahrersitz sinken. „Vielleicht hast du recht. Aber Gefühle würde es nur verkomplizieren.“
„Was verkomplizieren?“
Kopfschüttelnd beugte er sich vor und wickelte eine ihrer Haarsträhnen um seinen Finger. „Tu nicht so, als wüsstest du nicht, wovon ich rede.“
Ihr Herz machte einen Sprung, als sie die Entschlossenheit in seinem Blick sah, das Feuer des Verlangens, das dunkel darin brannte. „Wir sind zwei erwachsene Menschen auf einer einsamen Insel. Es ist nur natürlich, dass der Funke überspringt.“
Sie seufzte erleichtert, als er ihr Haar losließ, nur um gleich wieder scharf einzuatmen, als er eine Hand an ihre Wange legte und mit dem Daumen über die zarte Haut unter ihrem Kinn strich.
„Funke? Von hier sieht es eher aus wie ein außer Kontrolle geratenes Buschfeuer.“ Er zwinkerte ihr zu.
Erleichtert, dass die Atmosphäre sich entspannt hatte, lächelte sie. „Für Funken bist du also zu haben, für Gefühle nicht. Schon verstanden.“ Und sie würde nicht so dumm sein, beides zu verwechseln.
„Es gibt noch mehr, für das ich zu haben bin“, sagte er.
Statt auf seine Bemerkung einzugehen, startete sie den Motor und fuhr mit quietschenden Reifen los, als könnte sie so den kleinen Teufel abschütteln, der ihr neuerdings ins Ohr flüsterte, dass sie doch auch für mehr zu haben war.
Jetzt erst begriff Luca, was es hieß, Mäuschen zu spielen.
Während Charli hinter der Bühne eine Krise nach der nächsten meisterte, trödelnde Roadies antrieb, Tontechniker besänftigte, die sich über die Akustik im Saal beschwerten, und Storms wechselnde Bühnen-Outfits in die richtige Reihenfolge brachte, fühlte er sich praktisch unsichtbar.
Es war ihm unbegreiflich, wie sie bei Storms ständigem Genörgel die Nerven behielt. Doch als er anbot, Storm zur Vernunft zu bringen, hatte sie höflich abgelehnt und ihn eindringlich davor gewarnt, sich einzumischen.
Bis jetzt hatte er sich an ihre Regeln gehalten, doch jedes Mal, wenn Storm Wasser mit statt ohne Kohlensäure verlangte oder Bitterschokolade statt Vollmilchschokolade oder direkt vor seinem Auftritt noch einen Hamburger mit allen Schikanen, juckte es ihn in den Fingern, ihm mal ordentlich die Meinung zu sagen.
Charli dagegen blieb gelassen. Sie war eine Powerfrau, die ihre Autorität mit Samthandschuhen ausübte, und er konnte nicht anders, als sie zu bewundern.
Als er dann noch mitbekam, dass sie freie Eintrittskarten für sozial benachteiligte Jugendliche zur Verfügung stellte und junge Musiker aus der Region backstage einlud, um die Band kennenzulernen, wuchs seine Bewunderung ins Unermessliche.
„Ist mein Dad nicht cool?“
Luca blickte auf Tiger hinab, dessen
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